Kolumne Einfach gesagt: Flirten in der Parallelwelt

Für unappetitliche männliche Subjekte ist es von Vorteil, wenn das Beleidigen, Belästigen und Betatschen von Frauen weiter banalisiert wird. Eine Riesenscheiße.

Vor der Toastbar am Hamburger Pferdemarkt trat ein älterer Herr im Hawaii-Hemd vor uns hin: Er sah ein bisschen aus wie Jürgen von der Lippe. Foto: dpa

Ich liebe dieses Wetter. Es kommen lauter leckere Subjekte rein!“, sagte der Musikproduzent zu einem Kollegen, als meine Freundin das Studio betrat, um den Jingle für einen Weihnachtsspot einzusingen.

Sie trug am Abend noch immer ihr kurzes Kleid und erzählte mir davon, als wir mit Wodka Tonics vor der Toastbar am Neuen Pferdemarkt auf dem Kantstein saßen.

„Na, immerhin hat er Subjekte gesagt“, sagte ich, und kühlte mir mit meinem Glas die Stirn.

„Der ist eigentlich auch gar nicht so einer.“

„Hast du was erwidert?“

„Ja, klar, ich hab gesagt, erstaunlich, dass er sich das traue – in Zeiten von Metoo.“

„Und er?“

„Es war ihm peinlich, er laberte rum, er hätte das witzig gemeint – als Metoo-Verarschung!“

„Schwache Nummer.“

„Total schwach. Er hat dann immer weiter versucht die Kurve zu kriegen, aber mir wurde das Geiere zu blöd. Ich wollte einfach den Job hinter mich bringen und es war so furchtbar heiß in dem Studio.“

Einer der zwei jungen Typen, die neben uns saßen, sagte: „Siehst aber echt lecker aus in deinem Kleidchen!“

Sein Kumpel sagte: „Metoo ist doch voll die Spaßbremse und außerdem gibt es ja jetzt schon Metwo für die Jammer-Türken und andere Heul-Migranten. Irgendwas ist immer. Voll das Sommerlochthema, wenn du mich fragst.“

Der andere sagte:

„Hahaha, Sommerloch, das passt doch zu Metoo, überall geile Bitches in kurzen Sachen, alles Sommerlöcher, hahaha!“

Eine Frau, die vor uns stand, sagte: „Ey Mädels, steht mal schnell auf!“, und goss den beiden Typen ihr Bier und das von ihrem Freund über den Kopf.

Die Jungs sprangen auf, brüllten herum, gingen auf die Frau los und der Freund der Frau fing an, sich mit ihnen zu prügeln. Andere kamen dazu – ein Riesenmännerknäuel erwuchs in Nullkommanichts auf dem Neuen Pferdemarkt und Polizeisirenen näherten sich schnell.

Die Frauen, die beklagen, die Metoo-Debatte zerstöre all das unbefangen-sinnliche Flirten und man könne jedes Mannsbild bei seiner Anmache steuern, sind beneidenswert eindimensionale Subjekte, die in einer ganz wundervollen Parallelwelt leben müssen.

Gutes und schlechtes Gebalze wird so oder so die Art erhalten. So viel ist sicher.

Und auch: Es wird immer unappetitliche männliche Subjekte überall auf der weiten Welt geben, deren Flirtmanöver kein weibliches Subjekt geschmackvoll findet. Für diese Typen ist es von Vorteil, wenn das Beleidigen, Belästigen und Betatschen von Frauen weiter banalisiert wird. Es bleibt eine Riesenscheiße.

Als wir später an die Toastbar gelehnt mit Schnäpsen auf den bemerkenswerten Abend anstießen, trat ein älterer Herr im Hawaii-Hemd vor uns hin. Er sah ein bisschen aus wie Jürgen von der Lippe und vielleicht war er es auch. Jürgen von der Lippe kann auf eine rührende Weise sexistisch sein. Der Herr gab uns beiden seine weiche Hand, deutete jeweils einen Handkuss an und sagte, er habe vorhin alles mitgehört und bedaure es zutiefst, dass die ganze schöne Emanzipationsbewegung alles nur noch auf die Spitze getrieben habe. Er aber sei von der alten Schule und wisse, was sich so hübschen jungen Damen gegenüber gehöre!

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ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Alle zwei Wochen verdichtet sie in dieser taz-Kolumne tatsächlich Erlebtes literarisch.

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