Neue Botschaften in der Botschaft

Ausgerechnet das kapitalistische Australien unterhielt in Pankow zu DDR-Zeiten eine prächtige Botschaft. Nun nutzen internationale Künstler die „Ex-Embassy“, um gegenwärtige globale Konflikte zu verhandeln

War Tennis mal Rock ’n’ Roll? Zumindest, als der Australier Pat Cash noch den Schläger schwang. Teil der Performance „Ex-Pat Cash“ bei „Ex-Embassy“ Foto: Joanna Kosowska/„Ex Embassy“

Von Natalia Bronny

Menschen, die die Deutsche Demokratische Republik nicht mehr erlebt haben, könnten durch die folgende Information die tektonischen Platten ihrer inneren Weltkarte durcheinandergebracht sehen – Achtung: Es gab eine australische Botschaft in der DDR. Und damit diplomatische Beziehungen der sozialistischen Regierung zu nicht-sozialistischen Staaten. Das Interesse an Australiens Abbau-Techniken von Braunkohle war der DDR die größte Botschaft in Ostberlin wert, mehr als 2.800 Quadratmeter umfassend, mit Tennisplatz. Die politischen Fragen, die dieser Ort aufwirft, beleuchtet bis zum 31. August die Ausstellung „Ex-Embassy“.

Praller Wildwuchs, durchwachsene Graffitiversuche: Der Blick von außen lässt nicht vermuten, wie gut es um das Innere der ehemaligen Botschaft bestellt ist. Von 1975 bis 1986 war Australien in der Grabbeallee 34 in Pankow vertreten. Heute beherbergt das Gebäude das Atelierhaus Australische Botschaft Ost, seit April 2017 schaffen hier derzeit 35 Künstler*innen ihre Werke. Sonja Hornung, Organisatorin von „Ex-Embassy“, ist eine von ihnen: 1987 in Australien geboren, studierte Hornung an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Raumstrategien. Seit mehr als einem Jahr erforscht sie die Vergangenheit des Ortes, trägt die Geschichten der ehemaligen australischen Botschaft zusammen: Von Flucht erzählen diese, von Überwachung, sie hinterfragen Eigentum und Weltanschauungen.

Am Ende war dieses Material die Ausgangsbasis für eine ganze Ausstellung. Gemeinsam mit Rachel O’Reilly, einer australischen Geisteswissenschaftlerin, hat Hornung die Schau konzipiert, beide Frauen stellten dabei den Künstler*innen ihre Recherchen zur Verfügung – und ließen machen. Zwölf Künstler*innen sowie Theoretiker*innen zeigen nun ihre Installationen, Performances, Videos und Texte.

Botschaften sind an sich ein interessantes Thema: Da schiebt sich ein Stück Staat in einen anderen. Und hier nicht nur das: Mit Australien in Pankow wurde ein Stück sozialistischen Bodens kapitalistisch. „Ex-Embassy“ betrachtet diesen besonderen Raum und den Wandel seiner Identitäten sowie seiner Funktionen.

Ganz organisch geht der Wandel im modernen Stadtraum dabei kaum vonstatten, im Gegenteil. Das zeigt Sonya Schönbergers Arbeit „Square“: Mit einem Hochdruckreiniger entfernte die Künstlerin sämtliche Pflanzen, die zwischen den Terrassenplatten im Garten der ehemaligen Botschaft wucherten. Dabei ist, was als Unkraut verunglimpft werden könnte, zu 95 Prozent essbar oder von heilender Wirkung, sagt Schönberger. 21 der Pflanzen hat sie in Keramiktöpfe gerettet.

Die Arbeit steht auch symbolisch für die unklare Zukunft des denkmalgeschützten Gebäudes.

Ein Wohnhaus mit modernen Appartements ist eine Vision des privaten Eigentümers. Die Künstler*innen aber wollen ihre Ateliers behalten. Hornung habe oft das Gefühl, die Kunst werde „kurzzeitig missbraucht, um einen Ort aufzuwerten, und fliegt dann wieder raus“. Und so hängt eine Vokabel über den Räumen in der Grabbeallee 34, die die Geschichte Australiens mit der Gegenwart von Großstädten wie Berlin verknüpft: Verdrängung.

„Kunst wird oft missbraucht,um einen Ort aufzuwerten“

Kuratorin Sonja Hornung

„Ex-Embassy“ holt gleich zwei australische Künstler*innen indigener Herkunft nach Pankow, die die Hürden und Hindernisse beleuchten, denen Aborigines fortwährend ausgesetzt sind. Um etwa von bestimmten Programmen profitieren zu können – im Beruf oder im Bildungswesen –, muss die indigene Herkunft amtlich bestätigt sein.

Wie Indigene den Stereotypen genügen müssen, thematisiert Megan Cope, Angehörige der Quandamooka, in „Blaktism“ (2015). Für das Video inszeniert sie eine Art Taufe (englisch: baptism), in der Cope von einem blonden Beachgirl und weiteren stereotypen Vertreter*innen der australischen Gesellschaft „passend“ gemacht wird: Ihre hellblauen Augen, die so gar nicht zu einer Aborigine passen wollen, verschwinden hinter dunklen Kontaktlinsen. Für die Arbeit wurde Cope mit dem Western Australien Indigenous Art Award ausgezeichnet.

So aktuell solche Betrachtungen sind: „Europa tut sich schwer mit der Kunst von Aborigine-Künstler*innen“, sagt Kuratorin Rachel O’Reilly. Diese werde immer noch nicht als zeitgenössische Kunst gesehen.

Auch das Thema von Archie Moore aus Toowoomba bei ­Brisbane ist allzu gegenwärtig. Eine Lücke in der Hecke des ­Botschaftsgartens nutzt er für ein Trompe-l’œil. Eine ­meterhohe Fotowand auf einer Mauer zeigt, was auch in Realität zu sehen ist: ein Durchgang ins Grüne. Dass man gegen eine Mauer rennt, wenn man sich auf den Weg zubewegt, könnte man da fast vergessen. Wenn es um Bewegungsfreiheit geht, kann man sich eben täuschen, nicht nur optisch.

Ex-Embassy, bis 31. 8., Do.–Sa., 12 bis 18 Uhr. Grabbeallee 34–40, Pankow. www.ex-embassy.com