Giftige Stoffe in der Modeindustrie: Fast Fashion macht Detox

Die Textilindustrie gehört zu den Hauptverschmutzern von Trinkwasser. Aber immer mehr Firmen verzichten auf giftige Chemikalien.

Ein Geschäft mit vielen Kleidungsstücken

Viele Klamotten – viele Probleme Foto: unsplash/ Prudence Earl

Die Modeindustrie verzichtet Schritt für Schritt auf elf Chemikalien, die etwa Krebs auslösen können oder Unfruchtbarkeit fördern, also besonders gefährlich sind. Es gebe einen „tiefgreifenden Wandel in der Bekleidungsindustrie“, erklärte die Umweltorganisation Greenpeace am Donnerstag. Insgesamt hätten 80 Firmen zugesagt, sauberer zu produzieren. Diese stünden für etwa 30 Prozent der deutschen Textilindustrie, weltweit für 15 Prozent.

Unter den Firmen sind Modekonzerne wie H&M, Primark und Zara, aber auch Sportartikelhersteller wie Adidas, Nike und Puma. Und Handelsketten: Aldi, Lidl und Tchibo. Genauso Luxusmarken wie Burberry.

Was wie ein Lob von ungewöhnlicher Seite für die Firmen klingt, ist auch eins für die Umweltschützer selbst. Denn für diese Entwicklung haben sie einigen Aufwand betrieben. Vor sieben Jahren startete Greenpeace den Aufruf „Zeit zum Entgiften“ und forderte die Textilbranche auf, ihre Kleidung zu entgiften.

Kurz zuvor hatten Forscher der Organisation die Abwässer zweier großer Textilhersteller in China untersucht. China ist Textilienproduzent Nummer eins in der Welt. Und die Chemie steckt nicht nur in der Kleidung, sondern verschmutzt dort auch die Flüsse und macht das Trinkwasser ungenießbar. Die Umweltschützer gingen davon aus, dass die Abwässer häufig zur Nachtzeit abgelassen werden, um Kontrollen zu umgehen. Also zogen sie tags und nachts Proben und entdeckten eine ganze Reihe gefährlicher Chemikalien.

Alkylphenole etwa, die Textilproduzenten in Europa längst nicht mehr verwenden dürfen, auch perfluorierte Chemikalien, die wasserabweisenden PFC. Einige von ihnen können Krebs auslösen oder die Fortpflanzung schädigen. Selbst die modernen Kläranlagen vor Ort hielten die Schadstoffe nicht zurück. Ihr Fazit: Zumindest die elf Superschadstoffe müssen weg.

Strippen vor den Läden

Anfangs seien sie bei den Textilmanagerinnen und -managern „auf jede Menge Widerstand und Zweifel“ gestoßen, sagt Bunny McDiarmid, Geschäftsführerin von Greenpeace International. „Sie sagten, es sei ein Ding der Unmöglichkeit, in ihrer Lieferkette für Reinhaltung zu sorgen.“ Also organisierten die Umweltschützer weltweit Massenstripteases vor den Sportklamotten-Läden von Adidas und Nike, so was.

Nur wenige Wochen nach dem Kampagnenauftakt verpflichtete sich Puma als Erstes öffentlich dazu, bis zum Jahr 2020 alle gefährlichen Chemikalien aus seiner Produktion zu schmeißen. Bald darauf folgten plötzlich auch Nike und Adidas, wenig später entschied sich als erste Modemarke H&M.

Kai Falk, Handelsverband Deutschland

„Detox ist kein Nischenthema mehr“

Heute machen 80 Markenfirmen und Lieferanten von Mode, Sport- und Outdoor-Kleidung oder Luxusartikeln sowie Einzelhändler mit. Sie erstellten erst eine schwarze Liste von Chemikalien, die verbannt werden sollen, dann mit den Umweltschützern gemeinsam Ziele und Fristen zur Klärung ihrer Abwässer.

Nun hat Greenpeace zum ersten Mal bei den Detox-Firmen nachgefragt, was sich tatsächlich getan hat, und dies in einem Fortschrittsbericht, Titel: „Destination Zero“, zusammengetragen. Ergebnis: 72 Prozent geben an, dass sie mittlerweile auf die gefährlichen PFC verzichten. Outdoor-Firmen – weniger die Modebranche – setzen die Substanz oft für wasserdichte Beschichtungen und Membrane sowie Sportbekleidungsprodukte ein.

Detox kein Nischenthema mehr

Im Bericht heißt es nun: „Die Outdoor-Marke Vaude setzt den Ausstieg aus PFC nach Produkttypen bis 2020 fort.“ Und: „Nike hat nun 2021 als PFC-freie Zielmarke festgelegt.“ Bei anderen Chemikalien ist die Entwicklung ähnlich.

Vor der Detox-Kampagne habe sich die Branche vor allem auf die Produktsicherheit konzentriert, erklärt Thomas Rasch vom Deutschen Modeverband Germanfashion. Das habe sich geändert. „Detox ist kein Nischenthema mehr“, sagt Kai Falk vom Handelsverband Deutschland (HDE).

Bunny McDiarmid, Greenpeace

„Die enorme Materialschlacht im Verbrauchszyklus von Textilien kann niemals nachhaltig sein, egal auf wie viele Chemikalien man verzichtet“

Es ist ein Erfolg für die Umweltaktivisten, aber er reicht noch nicht. Greenpeace-Geschäftsführerin McDiarmid meint: „Die enorme Materialschlacht im Verbrauchszyklus von Textilien kann niemals nachhaltig sein, egal auf wie viele Chemikalien man verzichtet.“

Das Problem ist Fast Fashion, schnelllebige Mode. Seit dem Jahr 2000 gebe es eine „explosionsartige Expansion“, steht in dem Bericht. Und: Voraussichtlich werde der Kleiderkonsum weiter zunehmen, von 62 Millionen Tonnen im Jahr 2017 auf 102 Millionen Tonnen im Jahr 2030 – das wäre eine Steigerung von 63 Prozent.

Neue Modebewegung gesucht

Ein Stoff begünstige diese Entwicklung besonders: Polyester. Schon heute mache er 60 Prozent der Bekleidung aus, Tendenz steigend. Das habe Folgen: Ein einziges Kleidungsstück setze beispielsweise bis zu eine Million winzige Partikel der Textilfasern in nur einer Wäscheladung frei – diese landen schließlich als Mikroplastik im Meer.

Anders gesagt: Die Detox-Kampagne war nur der Start. Gesucht ist eine neue Modebewegung.

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