Amri-Ermittler verschickt Neonazi-SMS: Extremisten bei der Polizei? Aber nein!

Beamter im Staatsschutz verschickt SMS mit rechtsextremistischem Gruß „88“ – und bekommt nur einen Verweis. Linke und Grüne sind empört.

Neonazi-Codes wie „88“ gibt es viele: Hier ein Verkaufsstand beim Neonazi-Festival „Schild und Schwert“ im April in Sachsen Foto: dpa

BERLIN taz | Ist die Polizei zu nachsichtig, wenn es um Rechtsextremisten in ihren eigenen Reihen geht? Ein Verdacht in diese Richtung ist immer heikel – an Tag eins nach dem Urteil im NSU-Prozess ist er besonders brisant. Und doch stellt sich nach den jüngsten Enthüllungen von Berliner Morgenpost, Kontraste und NDR die Frage: Wie kann es sein, dass ein Berliner Beamter der Abteilung für Staatsschutz, für die Verfolgung politischer Extremisten zuständig, in SMS an seinen Vorgesetzten rechtsextremistisches Vokabular benutzt – und dafür nur einen Verweis bekommt?

Die genannten Medien zitierten am Donnerstag aus einem ihnen vorliegenden polizeiinternen Vermerk: Danach hat ein für die Ermittlungen gegen den Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri zuständiger Polizeioberkommissar seinem Vorgesetzten, einem Kriminalhauptkommissar, in einer SMS an Silvester 2016, knapp zwei Wochen nach dem Anschlag, geschrieben, er möge sich von „Merkel & Co und ihren scheiß Gut-Menschen“ fernhalten. In einer anderen SMS an denselben Adressaten nutzte er wenige Wochen später als Abschiedsgruß die Ziffern „88“ – ein Code von Rechtsextremisten für „Heil Hitler“.

Laut den Berichten wurden die Kurznachrichten nur zufällig entdeckt: bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Vorgesetzten wegen des Verdachts der Aktenmanipulation im Amri-Fall. Er und ein weiterer Staatsschützer waren verdächtigt worden, im Nachhinein einen Aktenvermerk über Amri manipuliert zu haben, um ihre Untätigkeit vor dem Attentat zu kaschieren. Das Verfahren wurde im April eingestellt.

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Bei diesen Ermittlungen sei das Handy des Kriminalhauptkommissars ausgelesen, die SMS an die Dienststelle 324 des Landeskriminalamts weitergegeben worden. Diese habe den Vermerk erstellt, der nun bekannt wurde. Darin heißt es laut Morgenpost, der Vorgesetzte habe nicht die „erforderlichen dienstrechtlichen Maßnahmen“ gegen seinen Mitarbeiter in die Wege geleitet – wozu er als Vorgesetzter laut Dienstvorschrift aber verpflichtet wäre.

Polizei: „Keine extremistische Gesinnung“

Die Polizei bestätigte die Sachlage laut Morgenpost soweit, der SMS-Schreiber habe einen Verweis bekommen, das Verfahren gegen den Vorgesetzten sei noch offen. Ein Sprecher erklärte weiter gegenüber der Zeitung: „Bei den betroffenen Beamten wurde keine extremistische Gesinnung festgestellt.“

Eine taz-Anfrage, welche anderen Gründe vorliegen könnten, wurde bis Donnerstag Nachmittag (Stand 15:30 Uhr) nicht beantwortet.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nahm die Beschuldigten teilweise in Schutz. Zwar habe der Kollege einen „schwerwiegenden Fehler“ gemacht, aber die Nachricht „offenbar nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte geschrieben“, erklärte GdP-Landesvorsitzender Norbert Cioma. Der Vorgesetzte habe dem Kollegen daraufhin im persönlichen Gespräch „die Leviten gelesen“.

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Nicht alle sehen das so gelassen. Dass der SMS-Schreiber weiter im Polizeidienst ist, kommentierte der innnenpolitische Sprecher der Linken-Frakion im Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, am Donnerstag auf Twitter mit: „Polizei, wir haben ein Problem!“ Der FDP-Abgeordnete und Innenpolitiker Marcel Luthe erklärte laut dpa, bei einem Verweis dürfe es nicht bleiben: „Ich möchte keinen Polizisten, der mit ‚Heil Hitler‘ grüßt. Und schon gar nicht beim Staatsschutz.“

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, kündigte laut Morgenpost an, den Fall im Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages aufarbeiten zu wollen. Und Berlins ehemaliger Polizeidirektor Michael Knape sagte Kontraste: „Es ist nicht zu tolerieren. Polizeibeamte, die im polizeilichen Staatsschutz Dienst verbringen und so einen Sprachgebrauch pflegen, haben sich charakterlich disqualifiziert und gehören nicht in den Polizeidienst.“

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