Kommentar Wahlumfrage in Bayern: Der Horst war's!

Auf die Umfrageschwäche der CSU reagiert Ministerpräsident Söder umgehend und schiebt alle Schuld auf Seehofer. Das ist verlogen.

Markus Söder schaut durch ein Fernglas

Wer Markus Söder kennt, weiß: Dieser Politiker hat vor allem sein eigenes Wohl im Blick Foto: reuters

Eines muss man Markus Söder lassen: Der Mann hat Chuzpe. Das ist die nette Formulierung. Die treffendere wäre: An Dreistigkeit ist der bayerische Ministerpräsident nicht zu überbieten. Auf ein Allzeittief von 38 Prozent ist die CSU im aktuellen Bayerntrend, der wichtigsten Politumfrage des Landes, gesunken, eine absolute Mehrheit im kommenden Landtag scheint in weiter Ferne. Und was macht Söder? Er ruft: Horst, übernimm du – die Schuld. „Streit nützt nie“, sagt Söder. Klar, die Schuld liege in Berlin, man werde sich jetzt auf die Landespolitik konzentrieren, und, ja: „Wir haben verstanden.“

Nun macht Söder wieder auf Landesvater, schluckt eine Überdosis Kreide und gibt sich im Landtag als Prediger des guten politischen Stils. Das erinnert stark an den Anfang seiner Amtszeit, als er in jedem zweiten Satz das Wort „Demut“ führte. Was schon damals aus seinem Munde schräg klang. In Bayern kennt man Söder und weiß: Für den Mann verhält es sich mit der Demut wie für andere mit der Freiheit – Demut ist immer die Demut der Andersdenkenden.

Vor lauter Jagdeifer die Volkspartei vergessen

Gewiss, Horst Seehofer hat in den vergangenen Wochen ein trauriges Schauspiel aufgeführt, als er seinem Machtkampf mit Merkel alles andere unterordnete. Damit tat der CSU-Chef nicht nur dem Land, sondern auch seiner Partei keinen Gefallen. An der derzeitigen Misere der CSU hat er gehörige Mitschuld. Doch es war neben Landesgruppenchef Dobrindt vor allem Söder, der heftig zündelte und ohne jede Scham auf die Wählerstimmen der AfD schielte. Dass die CSU in Bayern noch eine Volkspartei und auf eine breite Zustimmung auch in der Mitte der Gesellschaft angewiesen ist, schien er vor lauter Jagdeifer zu vergessen.

Statt auf Glaubwürdigkeit setzt Söder auf die Vergesslichkeit der Wähler, versucht sie wahlweise mit Symbolpolitik wie dem Kreuzerlass, mit populistischer Flüchtlingsrhetorik und üppigen Wahlversprechen einzulullen. Politische Ideale muss er dabei nicht verraten, die besitzt er ohnehin nicht. Sein Ziel ist die Wahl im Herbst.

Die Ironie der Geschichte: Söder wird seinem Erzrivalen und Vorgänger Seehofer immer ähnlicher. Dem attestierte man ein Übermaß an Wankelmut – weil er stets dem folgte, was er für Volkes Stimme hielt. „Wir haben verstanden“, das hat auch Seehofer nach der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl ausgerufen, um in einem Atemzug andere für das CSU-Desaster verantwortlich zu machen. Kurz darauf war sein Sturz besiegelt.

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Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.

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