Kommentar Gaza-Resolution der Linken: Täter, Opfer und Opportunisten

Beschlüsse zu Israel werden in der Linkspartei zum taktischen Spielball. Das Bekenntnis zu Palästina ist für manche offenbar eine Strategie.

An dem Grenzzaun zu Israel schleudert ein Mann einen Stein, daneben brennende Reifen

Ausschreitungen im Juli 2018 an der Grenze zu Israel Foto: dpa

„Wer sich als Opfer begreift, hat oft keine Probleme damit, andere zum Opfer zu machen“, schreibt Herfried Münkler in seinem neuen Buch über den 30-jährigen Krieg und die Schlüsse, die die Deutschen im 19. und 20. Jahrhundert daraus zogen. Es ist ein Satz, den viele Linke nicht mögen, weil sie Opfern uneingeschränkt vertrauen – auch wenn diese längst eigene Untaten begehen.

Vielleicht passt das Münkler-Zitat außenpolitisch in den letzten Jahrzehnten auf niemanden so gut wie die Palästinenser und insbesondere die Hamas. In den 1990er Jahren und während der Zweiten Intifada hat die Hamas den Friedensprozess durch Attentate auf Zivilisten kaputt gebombt. Als sich Israel aus Gaza zurückzog, schoss sie von dort Raketen.

Jetzt im Frühjahr unterstützte die Hamas den „Großen Rückkehrmarsch“, der schon deshalb politisch verheerend ist, weil es keinen Frieden geben wird, solange die palästinensische Seite darauf beharrt, dass die Nachkommen der palästinensischen Flüchtlinge von 1948 in das heutige Israel zurückkehren. Die Hamas wusste, wie die Israelis auf Angriffe an den Grenzzäunen reagieren würde. Sie brauchte aber Bilder von Opfern – und hat sie geliefert bekommen.

Das rechtfertigt nicht das überharte israelische Vorgehen, sollte aber davor bewahren, die Sichtweise der Hamas zu übernehmen. Schon aus Sympathie für Palästinenser: Je mehr uneingeschränkte Solidarität für die Aktionen am Zaun von Gaza eingeht, desto eher wird die Hamas bereit sein, noch mehr Jugendliche dort zu verheizen.

Mit Kalkül arbeitet aber nicht nur die Hamas, sondern auch der Bundesvorstand der Linkspartei. Nur für einige ist das Bekenntnis zu Palästina eine Herzensangelegenheit, für andere offenbar eine taktische Maßnahme, um das Bündnis des Parteivorstands mit dem linksradikalen Flügel zu sichern. Beschlüsse zu Israel werden zum taktischen Spielball. Das ist das fatale Signal, das von dem Gaza-Beschluss der Linkspartei ausgeht. In ihm wird nur Israel für sein Vorgehen am Zaun angegriffen – und der palästinensische Opfermythos bestärkt.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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