Kritik oder Nicht-Kritik an Hamas: Die Linkspartei streitet über Israel

Der Bundesvorstand verurteilt das Vorgehen von Israels Militär gegen den „Rückkehrmarsch“ – die Hamas-Raketenangriffe aber nicht.

Katja Kipping, Bernd Riexinger und Harald Wolf gehen nebeneinander her

Wie Hamas-freundlich wollen sie sein? Foto: dpa

BERLIN taz | Die Linkspartei streitet wieder über Israel. Grund ist eine Resolution zu den Protesten in Gaza, die der neugewählte Bundesvorstand auf seiner Sitzung Anfang Juli beschloss. „Die Linke verurteilt das gewaltsame Vorgehen der israelischen Regierung und des israelischen Militärs gegen die mehrheitlich friedlichen Massenproteste der Palästinenser in Gaza“, heißt es darin. „Die Linke ruft außerdem zu einem Ende der Raketenangriffe aus Gaza auf Israel sowie zum Ende israelischer Angriffe auf den Gazastreifen auf.“

Bei den von der Hamas unterstützten Protesten in Gaza im Zuge des „Großen Rückkehrmarsches“ waren seit März mehr als 160 Palästinenser getötet worden. Palästinenser hatten dabei auch versucht, die Grenze nach Israel zu durchbrechen. Im selben Zeitraum schossen die Hamas und andere Palästinenser Raketen und Branddrachen auf Israel ab, Israel bombardierte daraufhin den Gazastreifen.

Ein Änderungsantrag der Hamburgerin Christiane Schneider, die Hamas aufzufordern, das Existenzrecht Israels anzuerkennen, fand im Bundesvorstand keine Mehrheit. Kritik kommt nun vor allem aus der Strömung „Emanzipatorische Linke“: Im Antrag fehle, „dass die Raketenangriffe der Hamas verurteilt werden“, heißt es in einem Papier: „Es entsteht der Eindruck, dass der Vorstand der Partei Die Linke nicht willens ist, das Verletzen und Töten von Israelis durch die Raketenangriffe der Hamas zu verurteilen.“

Auch der Musiker Andrej Hermlin, Sohn des DDR-Schriftstellers Stephan Hermlin, wandte sich nach dem Beschluss an den Parteivorstand: „Mein Vater war Jude und Kommunist. Ich bin es ihm schuldig, meine Stimme zu ­erheben“, schreibt er in einem offenen Brief. In der Erklärung des Vorstands fände sich „kein Wort zum rasenden Hass der Hamas und ihrer Sympathisanten auf Israel und alles Jüdische“. Hermlin droht mit seinem Austritt aus der Partei: „Ich erwarte eine Stellungnahme der Führung unserer Partei. Vom Gehalt eines solchen Bekenntnisses mache ich meinen Verbleib in der Partei abhängig.“

Raketenangriffe der Hamas verschweigen

Der Nahostkonflikt hat die Linkspartei immer wieder gespalten. So nahmen die Bundestagsabgeordneten Annette Groth und Inge Höger 2010 an einem Schiffskonvoi in den Gazastreifen teil, der vom israelischen Militär aufgebracht wurde. 2014 kam es zur sogenannten „Toilettenaffäre“: Nachdem Fraktionschef Gregor Gysi eine Veranstaltung mit zwei antizionistischen Journalisten in Fraktionsräumen untersagt hatte, belagerten Höger und Groth zusammen mit den beiden Journalisten Gysi im Bundestag – einige verfolgten ihn sogar beim Gang zur Toilette.

Erst in den vergangenen beiden Jahren konnte der Konflikt befriedet werden, unter anderem durch eine gemeinsame Reise der neuen Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht nach Israel. Dass er jetzt wieder aufbricht, ist auch eine Folge der Verschiebung der Kräfteverhältnisse: Im Zuge der Flüchtlingsdebatte hat sich ein Teil des linksradikalen Spektrums von Wagenknecht entfernt und ist nun im Vorstand ein Bündnis mit den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger eingegangen.

Ein Antrag, die Hamas aufzufordern, das Existenzrecht Israels anzu­er­kennen, fiel durch

Dazu zählt etwa die Antikapitalistische Linke (AKL). Aus ihren Reihen kommt nun Kritik, der jetzt beschlossene Antrag sei noch zu soft gewesen: Bundesvorstandsmitglied Thies Gleiss hatte laut einem im Internet veröffentlichen Protokoll der AKL in der Vorstandsdebatte für einen noch weiter gehenden Antrag des Arbeitskreises „Gerechter Frieden in Nahost“ plädiert. Er habe dabei „darauf hingewiesen, dass die Gleichsetzung der israelischen Militär- und Polizeieinsätze mit den Widerstandsaktionen der palästinensischen Bevölkerung und militärischen Anschlägen der Hamas nicht hinnehmbar ist“, heißt es im Bericht von der Klausur des Parteivorstands.

Gleiss setzte sich dafür ein, die Raketenangriffe der Hamas in dem Antrag gar nicht zu erwähnen. Die „Gleichsetzung beider Seiten „in dieser zutiefst asymmetrischen Auseinandersetzung“ sei „eine falsche Parteinahme für die israelische Armee und die rechtsradikale Regierung Netanjahus“. Im weitergehenden Antrag des Arbeitskreises „Gerechter Frieden in Nahost“ wurden unter anderem die „kreativen Aktionen“ bei den Demonstrationen gelobt.

Im September geht es weiter: Dann steht ein Treffen des Parteivorstands mit Hermlin an.

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