Neonazi-Aufmarsch am Samstag: Heßliche Szenen in Berlin

Neonazis wollen an den NS-Verbrecher Rudolf Heß erinnern, zwei Demos sind angemeldet. Proteste sollen das verhindern.

Neonazis stehen hinter einem Plakat mit der Aufschrift "Ich bereue nichts"

Weit kamen sie nicht, die Neonazis, die 2017 an Heß erinnern wollten Foto: dpa

BERLIN taz | Den von Neonazis geplanten Rudolf-Heß-Marsch könnte es am Samstag gleich zwei Mal geben: in Spandau sowie in Friedrichshain und Lichtenberg. Zwei Routen wurden von der Polizei genehmigt (siehe Karten): die in Spandau von 12 bis 20 Uhr, die in Ostberlin von 14 bis 24 Uhr. Die Polizei richtete sich am Freitag darauf ein, dass beide Demonstrationen stattfinden könnten. Angemeldet sind jeweils 500 Rechtsextreme. Die Mobile Beratung gegen Rechts (MBR) geht indes davon aus, dass es deutlich mehr werden könnten. Mobilisiert wird bundesweit.

Bereits im vergangenen Jahr versuchte die rechte Szene, an Rudolf Heß zu erinnern. Der einstige Hitler-Stellvertreter war der letzte Gefangene im alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Spandau. Nach seinem Suizid am 17. August 1987 im Alter von 93 Jahren wurde das Gebäude vollständig abgerissen, damit daraus kein Wallfahrtsort für Rechtsextreme wird. 2017 blockierten Gegendemonstranten den rechten Aufmarsch zu guten Teilen, die knapp 1.500 Neonazis drehten lediglich eine Runde um den Bahnhof Spandau.

Auch in diesem Jahr dürfen sie nicht direkt am Ort des einstigen Kriegsverbrechergefängnisses – auf dem heute ein großer Supermarkt steht – vorbei laufen. Ab 12 Uhr ist der Marsch ab der Schmidt-Knobelsdorf-Straße, Ecke Sotzmannstraße genehmigt. Zudem gibt es weitere Auflagen: „Jede Verherrlichung von ‚Rudolf Heß‘ in Wort, Schrift oder Bild wird untersagt“, heißt es in dem Auflagenbescheid der Polizei. Verboten sind auch ein durch Trommeln erzeugter Marschtakt, Marschmusik, Fackeln und offenes Feuer; zudem Uniformen und gleichartige Kleidung sowie dunkle Springerstiefel und Bomberjacken in bestimmten Farben.

Die Route beginnt weitab vom Bahnhof. Laut einem Sprecher geht die Polizei trotzdem davon aus, dass die Rechtsextremen überwiegend per Bahn anreisen. Sie mobilisieren auch zum Bahnhof. Die Neonazis sollen – wohl in kleinen Gruppen – von dort an den Startpunkt der Demo eskortiert werden, sagte der Polizeisprecher der taz am Freitag. Bis Freitagmittag wurden von den Anmeldern keine Rechtsmittel gegen den Streckenverlauf eingelegt.

Die geplante Route durch Spandau Grafik: Infotext

Die von dem einstigen Berliner NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke angemeldete Strecke ab dem Platz der Vereinten Nationen in Friedrichshain wird von Beobachtern und Polizei lediglich als Alternativroute gewertet, falls der Aufmarsch in Spandau nicht wie gewünscht stattfinden kann. Nach Einschätzung der MBR drängen die Neonazis darauf, durch Spandau zu laufen: „Primäres Ziel der Rechtsextremen dürfte weiterhin ein Marsch durch Spandau bleiben“, heißt es in ihrer Stellungnahme.

Die Mobilisierung der Gegenproteste konzentriert sich deshalb vornehmlich auf Demonstrationen und Kundgebungen im Umfeld des Bahnhofes Spandau. Die meisten beginnen bereits um 10 Uhr. Von den Grünen bis zum evangelischen Kirchenkreis reichen die Aufrufenden; ein Demokratiefest ist geplant, auf dem gegen 15 Uhr Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) erwartet wird. Zudem gibt es Mahnwachen und Aufzüge auf Brücken rund um die Altstadt und in der Nähe des früheren Kriegsverbrechergefängnisses.

Für den Fall einer Ortsänderung Richtung Innenstadt sind Veranstaltungen vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof angekündigt. Mit weiteren Anmeldungen entlang der Route durch Friedrichshain und Lichtenberg ist zu rechnen. Angesichts der Unklarheit, wo die Neonazis laufen werden, mobilisieren Antifa-Gruppen für 9.30 Uhr an den Alexanderplatz. Dort soll dann je nach Lage entschieden werden, ob man gemeinsam nach Spandau fahre oder Richtung Friedrichshain laufe.

Die angebliche Alternativroute durch Friedrichshain und Lichtenberg Grafik: infotext

Verboten werden konnte die versuchte Verherrlichung des NS-Verbrechers Heß laut Innensenator Andreas Geisel (SPD) nicht. „Für ein Verbot liegen die aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit hohen Voraussetzungen nicht vor“, so der Senator in einer Stellungnahme. Geisel betonte jedoch seine grundsätzliche Einstellung zu derlei Veranstaltungen: „Jede Verherrlichung von Rechtsextremismus ist widerwärtig und wird von mir aufs Schärfste verurteilt.“ Schon im vergangenen Jahr hatte der Senator festgestellt, dass die Demonstrationsfreiheit nun einmal auch für „Arschlöcher“ gelte.

Ebenfalls am Samstag will die derzeit älteste bekannte rechte Hertha-Hooligan-Gruppe feiern: Die „Wannsee-Front Berlin 83“ wird nach eigenen Aussagen 35 Jahre alt. Dazu sei unter anderem ein Musikprogramm geplant. Jenseits des identischen Termins gibt es laut Senat allerdings keine Erkenntnisse, dass Demo und Feier in Verbindung stehen.

Auch dass es sich bei der Hooligan-Party um ein getarntes Neonazi-Konzert handelt, sei derzeit nicht erkennbar, so der Senat in der bisher unveröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksparteiabgeordneten Hakan Tas, Anne Helm und Niklas Schrader: „Bisher konnte eine Thematisierung der Veranstaltung der Wannsee-Front Berlin 83 im Rahmen der Mobilisierung zu der Versammlung ‚Mord verjährt nicht, gebt die Akten frei – Recht statt Rache!‘ nicht festgestellt werden“, schreibt der Senat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.