Freibad mit Kulturkiosk: Die Kunst zu Fritten

Ein Projektraum, bei dem es auch Pommes gibt – mit dem Tropez holt Nele Heinevetter die Kunst ins Sommerbad Humboldthain.

Die Macherinnen des Tropez

Sorgen für die Kunst am Beckenrand: Leona Koldehoff und Nele Heinevetter Foto: Karsten Thielker

Auf einem geblümten Stuhl, der ein Überbleibsel der 70er sein könnte, und im Schatten eines großen Fransenschirms sitzt Nele Heinevetter. Vor ihr auf dem Campingtisch steht neben dem Ventilator ein MacBook mit dem geöffneten Schichtplan. Unter dem Tisch kühlt sie ihre Füße in einem knallig pinken Planschbecken, ihre Adiletten stehen daneben. Was an eine stereotype Szene in einem Berliner Start-up-Unternehmen erinnert, spielt sich tatsächlich inmitten des Freibads Humboldt­hain ab.

Dort hat die Künstlerin Nele Heinevetter mit dem „Tropez“ eine Kombination aus dem traditionellen Freibadimbiss und einem Kreativ- und Projektraum geschaffen. In dem Flachbaukomplex finden regelmäßig wechselnde Ausstellungen statt. „Mit unseren Ausstellungen und den Veranstaltungen wollen wir Kunst ins Schwimmbad bringen“, sagt sie. Für Heinevetter, die zwischen 2012 und 2014 mit Nina Pohl den Schinkel Pavillon – einen der wichtigsten Ausstellungsorte zeitgenössischer Kunst in Berlin – leitete, ging mit der Übernahme des Kiosks vergangenen Sommers ein Traum in Erfüllung. Für sie war von Anfang klar, Kunst ins Schwimmbad bringen zu wollen. „Aber Pommes machen Sie schon, oder?“, wurde sie am Anfang mit skeptischem Blick von der Badeleitung gefragt. Seitdem zeigen sich die Bäderbetriebe, mit denen sie einen Fünfjahresvertrag schloss, begeistert von ihrem Projekt.

Fast sieben Tage die Woche ist sie anwesend und steht zwischendurch auch selber hinter der Theke und bedient die Besucher. Die studierte Kunsthistorikerin lernte, wie man die Freibadklassiker Currywurst und Pommes zubereitet und alltägliche Dinge wie eben Schichtpläne organisiert. „Wir haben zwar keine vegane, aber dafür halal Currywurst.“

Das Risiko, das sie mit der Übernahme des Betriebs einging, war Heinevetter bewusst. „Wir haben hier viel Geld investiert. Zum Beispiel mussten wir eine komplett neue Ausstattung wie Friteusen kaufen.“ Die anfängliche Euphorie des Teams rund um Nele Heinevetter und ihren Assistentinnen Leona Koldehoff und Sophie Boysen sei vom schlechten Wetter in der Eröffnungssaison 2017 auf die Probe gestellt worden. Die momentane Hitzewelle dagegen sei die optimale Bedingung für guten Umsatz.

Reale und virtuelle Reisen

Die Mittagshitze erreicht langsam ihren Höhepunkt von 37 Grad, und die Menschen auf der Liegewiese rücken enger zusammen. Während sich die Schlange am Imbiss füllt, betreten hin und wieder ein paar Badegäste, viele davon eher zufällig, den Ausstellungsraum. Die anfängliche Irritation, an solch einem Ort auf Kunst zu treffen, legt sich jedoch schnell. Die aktuelle Ausstellung „Voyage“ soll die BetrachterInnen auf eine reale und virtuelle Reise nehmen. „Im Schwimmbad sind viele Familien, die nicht wegfahren können, da passt das Thema ganz gut“, sagt Heinevetter und blickt auf das mittlerweile volle Schwimmbecken. Die Badegäste begegnen Skulpturen, Installa­tio­nen, Computerspielen und Videos aus der bildenden und darstellenden Kunst.

Direkt am Eingang findet sich mit „Data Pool Party“ ein überraschendes und thematisch passendes Projekt. Der Programmierer und Künstler Adam Harvey hat mit der Designerin Anastasia Kubrak eine digitale Reise an die Privatpools der großen Tech-Milliardäre wie Jeff Bezos (Amazon) oder Larry Page (Google) ermöglicht. Mittels eines Geräts zur Manipulation Wifi-basierter Ortung werden die Nutzer mit ihren Handys aus der Szenerie des Freibads gerissen und mit den veränderten Standpunkten in das Silicon Valley transportiert.

Nele Heinevetter ist wichtig, dass die Kunst auch außerhalb des Raums stattfindet und die Besucher in direkte Interaktion mit ihr treten. Vom Beckenrand aus sieht man so auf eine große weiße chinesische Nudelbox aus Plastik im Garten des ­Kiosks. „Sink or swim“ ist der Titel der Arbeit des Künstlerduos Aurora Sander. Die entnehmbaren Schwimmnudeln lassen mit ihrer Alltäglichkeit Berührungspunkte zwischen der Kunst und den Kindern entstehen. „Die Kunst kann man sich quasi mit ins Wasser nehmen. Nur das Zurückbringen der Schwimmnudeln ist ein Problem“, sagt Heinevetter lächelnd und schaut in die fast leere Box.

Die Kunst beim Essen

Beim Warten auf Pommes oder eine kalte Cola stößt man auf eine weitere Kunstinstallation. „Das Konzept sieht vor, dass wir zu den Leuten gehen und nicht erwarten, dass die Leute zur Kunst kommen“, so Heinevetter. Die vier Marmorplatten an der Wand, wo sich die Schlange der wartenden Badegäste bildet, fügen sich dezent in die Fassade ein. Bei den graumelierten Platten hat sich die Künstlerin vom Tresen des Imbisses inspirieren lassen, mit den feinen, nur aus nächster Nähe erkennbaren Gravuren will sie eine Reflexion über den eigenen Standpunkt anregen. Der Standort des Werks sei passend gewählt, erklärt Heinevetter, denn Essen habe für die Künstlerin einen hohen Stellenwert.

Auf der modularen Bühne, die je nach Bedarf umgebaut werden kann, gibt es regelmäßig Veranstaltungen. Das Kunst- und Kulturprogramm wird vom Hauptstadtkulturfonds unterstützt. Neben Veranstaltungen, die Interessierte der internationalen Kunstszene anziehen und auf Englisch stattfinden, gibt es auch Workshops, bei denen Kinder in unterschiedliche Kunstproduktionen eingebunden werden und die sie aktiv planen, wie bei den Proben für eine Unterwasseroper, die Ende August zu hören sein wird.

„Die Kombination von Business und Kunstprojekt ist fordernder, als wir uns das vorgestellt hatten“, sagt Heinevetter. Es sei schwierig, strukturiert zu arbeiten, weil jeder Tag anders abläuft. „Ausgerechnet heute ist eine der Friteusen kaputt gegangen“, sagt sie und gibt Anweisungen an einen Mitarbeiter. Die Kioskbetreiberin geht jeden Morgen vor der Arbeit schwimmen. Das helfe gegen Stress. „Und zwischendurch mal auf die 50 Meter lange Rutsche. Danach ist man richtig gut gelaunt“, sagt sie begeistert. Den Bikini trägt sie bereits unter ihrer Kleidung und springt so schnell für eine Abkühlung ins kalte Becken.

Tropez: Sommerbad Humboldt­hain, Wiesenstraße 1, bis 2. Sep­tember täglich von 10–18 Uhr geöffnet: tropeztropez.de

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