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: Deniz Yücel fordert Entschädigung von der Türkei

Der Journalist verklagt den türkischen Staat auf Zahlung von rund 400.000 Euro Schmerzensgeld für sein Jahr in U-Haft. Das Strafverfahren gegen ihn läuft weiter

Das Neue

Knapp 3 Millionen Lira, das sind umgerechnet rund 400.000 Euro Entschädigung fordert der frühere Türkei-Korrespondent der Welt, Deniz Yücel, von der türkischen Regierung. Wie sein Anwalt Veysel Ok der Presseagentur dpa sagte, setzt sich diese Forderung aus Verdienstausfällen, Anwaltskosten und Schmerzensgeld wegen Freiheitsberaubung zusammen.

Yücel habe nur seine Arbeit als Journalist getan und niemals festgenommen werden dürfen, sagte der Anwalt. Zudem sei Yücel „unter unmenschlichen Haftbedingungen in Einzelhaft“ festgehalten worden. „Die Regierung und das Gericht müssen einen Preis für diese Ungerechtigkeit zahlen“. Ok sagte, er habe Klage gegen das türkische Schatzamt eingereicht. Eine erste Anhörung erwarte er am 25. September.

Der Kontext

Deniz Yücel hatte mehr als ein Jahr in U-Haft gesessen, bevor die türkische Justiz ihn auf massiven Druck aus Deutschland am 16. Februar dieses Jahres aus der Haft entließ und er nach Deutschland ausreisen durfte. Die türkische Justiz wirft ihm aufgrund verschiedener Artikel, die er verfasste, „Terrorpropaganda“ und „Aufwiegelung der Bevölkerung vor“.

Das Strafverfahren gegen Deniz Yücel läuft weiter. Eine Anklage hatte die Staatsanwaltschaft erst unmittelbar vor seiner Freilassung aus der U-Haft vorgelegt. Der erste Verhandlungstag soll im Oktober sein. Yücel hat bereits angekündigt, dass er deswegen nicht in die Türkei reisen wird. Die Gefahr erneut festgenommen zu werden ist viel zu groß.

Neben Yücel hatten besonders die Fälle von Mesale Tolu und Peter Steudtner in Deutschland noch für Furore gesorgt. Auch diese beiden waren aus politischen Gründen inhaftiert worden. Während der Amnesty-International-Mitarbeiter Steudtner noch im Herbst 2017 wieder freigelassen wurde, musste die Journalistin Tolu bis Dezember 2017 darauf warten. Erst vor einer Woche durfte Tolu die Türkei Richtung Deutschland zurück. Bis heute sitzen laut Auswärtigem Amt sieben Deutsche in der Türkei aus politischen Gründen in U-Haft.

Die Reaktionen

In der Türkei hat es bislang keinerlei öffentliche Reaktionen auf die Forderung von Deniz Yücel gegeben.

Die Konsequenz

Dass der türkische Staat Yücel tatsächlich entschädigt, ist höchst unwahrscheinlich. Bislang sind in der Türkei nur Entschädigungen gezahlt worden, wenn der Staat dazu vom Europäischen Gericht für Menschenrechte verurteilt wurde. Ok hat zwar angekündigt, notfalls auch zu dem Gerichtshof in Straßburg gehen zu wollen, das wird aber erst möglich, wenn gegen Yücel in der Türkei ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

Sollte er in Abwesenheit verurteilt werden, müsste der europäische Gerichtshof erst einmal über die Rechtmäßigkeit dieses Urteils entscheiden, bevor es über eine Entschädigung befinden kann. Die Entschädigungsforderung kann aber dazu beitragen, dass die Fälle von Deniz und den anderen politischen Gefangenen in der Türkei in Deutschland nicht in Vergessenheit geraten.

Wolf Wittenfeld, Istanbul