Kolumne Flimmern und Rauschen: Dunkeldeutschland ist jetzt überall

Schon öfter mal dagewesen: In Sachsen hat die Polizei bereits in früheren Fällen Journalisten bei ihrer Arbeit behindert.

Eine Gruppe Polizisten steht neben einem Mann, der mit einer großen Kamera auf einer Leiter steht und ein Foto schießt

Polizei und Journalist – in Sachsen verfeindet? Foto: imago / epd

Willkommen in der Bananenrepublik: Wegen übler Nachrede über zwei Polizisten in Veröffentlichungen zum sogenannten Sachsensumpf sind zwei freie Journalisten vom Dresdner Amtsgericht schuldig gesprochen worden. Ihr Vergehen: Im Zusammenhang mit Recherchen über die Verstrickung hochrangiger Justizbeamten mit dem Rotlichtmilieu Anfang der Neunziger in Leipzig hatten sie in ihrem Artikel kritische Fragen gestellt, warum die Ermittlungen seinerzeit im Sande verliefen.

Das ist nicht taufrisch, sondern aus der taz von 2010. Damals handelte es sich übrigens nicht etwa um eine Presserechtsangelegenheit, sondern um ein Strafverfahren. Unter anderem wegen ehrverletzender Vorwürfe gegen die Polizei. Nicht die fraglichen Beamten hatten Anzeige erstattet, sondern der Polizeipräsident höchstpersönlich auf Drängen der Staatsanwaltschaft – und damit der Politik.

Von daher ist es leider gar nicht neu, wie jetzt mit der Dresdner Pegida-Demo und der Behinderung eines freien ZDF-Fernsehteams durch die sächsische Polizei umgegangen wird. Journalisten wurden auch hier nicht als an sehr konkrete, professionelle Standards gebundene Berichterstatter über ein Ereignis gesehen, sondern quasi als Beteiligte, gefühlt fast schon als Gegner.

Wenn die Polizei jetzt angesichts des Herrn mit Deutschlandhütchen damit argumentiert, man habe einer „drohende Eskalation“ nicht anders Herr werden können, spricht das genauso Bände wie die vorschnelle Schuldzuweisung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer („Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten“), von der dieser auch nur halbherzig zurückgerudert ist.

Journalisten wurden auch hier nicht als an sehr konkrete, professionelle Standards gebundene Berichterstatter über ein Ereignis gesehen, sondern quasi als Beteiligte, gefühlt fast schon als Gegner

Wir dürfen gespannt sein, wie die nun von der Politik angekündigte „Aufklärung“ ausfällt. Arndt Ginzel sowieso: Er war jetzt für das ZDF bei der Demo in Dresden – und auch einer der Beklagten im Sachsensumpf-Prozess.

In der gegenwärtigen Schieflage droht etwas Entscheidendes zu kippen: der Status der medialen Berichterstatter als zwar nicht haltungslose, aber unbeteiligte und in diesem Sinne übergeordnete Instanz. Wenn es Pegida, AfD & Co. weiter gelingt, die Presse gegen alle Tatsachen zu gegnerischen Beteiligten zu stempeln, wird es ziemlich dunkel. Und Dunkeldeutschland ist mittlerweile überall.

Dass zeigt auch das Urteil im Eilverfahren gegen die mit der taz verbandelte Wochenzeitung Kontext aus Stuttgart: Ihr wurde Anfang August verboten, einen rechtsextremen Mitarbeiter von zwei baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten weiter beim Namen zu nennen und Zitate aus seinen Facebook-Chats zu veröffentlichen. Der Mitarbeiter hatte abgestritten, Verfasser der Chats zu ein. Kontext will das Urteil nicht auf sich sitzen lassen – und wartete auf die schriftliche Begründung.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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