Konstantin Wecker über Soli-Konzerte: „Das Patriarchat hat ausgeschissen!“

Der linke Liedermacher Konstantin Wecker glaubt, dass Poesie als Widerstand funktioniert und dass Musik helfen kann, das Patriarchat zu Fall zu bringen.

Liedermacher Konstantin Wecker sitzt bei einem Konzert an seinem Flügel und singt

Träumt von mehr Partys gegen Rassismus: Konstantin Wecker Foto: dpa

taz: Nach den Neonazi-Aufmärschen in den 90er-Jahren haben Sie viele Solikonzerte gegeben. Was hat das eigentlich gebracht?

Konstantin Wecker: Kunst kann Mut machen. Es gibt Menschen, die glauben, sie können eh nichts mehr bewirken, weil bei ihnen in der Nachbarschaft schon jeder zweite die AfD wählt. Und dann kommen sie in so ein Konzert und merken, sie sind gar nicht allein. Wenn wir diejenigen, die die gleiche Sehnsucht nach einer menschlicheren, gerechteren und empathischeren Welt haben, ansprechen und denen das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind – natürlich bewirkt das was! Poesie ist Widerstand!

Und was ist mit den anderen?

Wir erreichen auch die, die vielleicht verunsichert ist. Vor drei Jahren schon habe ich mein Lied „Ich habe einen Traum“ gesungen, das von der Utopie handelt, dass wir die Grenzen öffnen und alle reinlassen. Da sind dann demonstrativ Menschen aufgestanden und gegangen.

Es gab aber auch die, die vielleicht nicht alle reinlassen wollen, aber sie haben sich von der Empathie in der Musik mitreißen lassen. Und das ist doch die größte Errungenschaft des homo sapiens: Das Mitgefühl. Und da kann doch die Kunst helfen!

60.000 Menschen waren am Montag in Chemnitz. Jetzt sind die anständigen Chemnitzer aber wieder allein.

Dieses Konzert war ein ganz wichtiges Zeichen! Ich habe mal im Osten gespielt, da standen die Nazis davor und haben Leute fotografiert. Da wurde mir schon übel, ich hatte Angst um mein Publikum. Ich selbst hatte Saalschutz und bin am nächsten Morgen wieder abgereist, aber was war mit den Leuten?

Und trotzdem sind die, die mit dem Herzen denken immer noch in der Mehrheit. Die anderen sind nur viel viel lauter und greller. Aber ich glaube, was wir hier sehen, ist das hoffentlich letzte verzweifelte Aufbäumen des Patriarchats. Ich habe immer noch Hoffnung für mein Ideal einer herrschaftsfreien Welt. Das Patriarchat hat ausgeschissen!

Jetzt lästern manche, das Konzert in Chemnitz war doch bloß eine Party. Was hat das mit Politik und Protest zu tun?

Das dürfen Sie doch einen alten 68er nicht fragen! Bei uns hat doch alles mit Partys angefangen. Wir haben ein Recht auf Freude! Sind wir nur dann ernst zu nehmen, wenn wir mit verbitterten Gesichtern demonstrieren? Es war eine Party, aber eine für ein friedliches Miteinander, gegen Rassismus und Faschismus. Davon wünsche ich mir noch viele viele tausend Partys mehr!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.