Britische Linke debattiert Judenhass: Labour definiert Antisemitismus

Nach langem innerparteilichen Streit hat die britische Labour-Partei die gängige Antisemitismus-Definition vollständig anerkannt. Es gibt auch Kritik.

Eine Frau hält ein Schild gegen Antisemitismus hoch, das sich an die Parteiführung richtet, ein Mann daneben trägt eine Davidsternkette

DemonstrantInnen fordern vor der Labour-Parteizentrale einen entschiedenen Kampf gegen Antisemitismus Foto: imago/I Images

LONDON afp | Die Führungsspitze der oppositionellen Labour-Partei in Großbritannien hat die vollständige Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) für ihren Verhaltenskodex übernommen. Das Exekutivkomitee habe „alle Beispiele der IHRA für Antisemitismus“ übernommen, sagte ein Parteisprecher am Dienstag. Der Entscheidung war eine heftige parteiinterne Debatte vorausgegangen.

Das Treffen in der Labour-Parteizentrale in London dauerte mehrere Stunden, während sich draußen Demonstranten von beiden Seiten Gehör verschaffen zu versuchten. Die IHRA-Definition sei gemeinsam mit einer Erklärung angenommen worden, die sicherstellen soll, dass die „Meinungsfreiheit zu Israel und den Rechten der Palästinenser“ nicht untergraben werde, sagte der Sprecher.

Bislang hatte sich Partei geweigert, die gängige IHRA-Definition zu übernehmen. Bei der Organisation handelt es sich um einen Zusammenschluss von 31 Staaten, die sich dem Kampf gegen Antisemitismus und Holocaust-Leugnung verschrieben haben. Sie kooperiert unter anderem mit der UNO, auch Deutschland ist Mitglied.

Die Parteiführung hatte diese Definition bislang nicht komplett in ihren eigenen Statuten festgeschrieben, weil sie diese für zu weitreichend hielt: Es gab die Befürchtung, dass damit auch reine Kritik an der Politik Israels als antisemitisch eingestuft werden könnte.

An der Definitionsfrage hatte sich ein heftiger parteiinterner Streit entzündet. Befeuert wurde er auch dadurch, dass sich Parteichef Jeremy Corbyn wegen früherer Äußerungen, Taten und Kontakte immer wieder dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt sah. Corbyn zählt zum Linksaußen-Flügel der Partei, der als äußerst pro-palästinensisch gilt.

Ein „echtes Problem“

Im März hatten führende Vertreter der jüdischen Gemeinden in einem Brief an Labour offenen Antisemitismus beklagt. Besonders Corbyn ergreife „immer wieder“ Partei für antisemitische Positionen, hieß es: Der Parteichef sei „ideologisch so sehr auf seine weit links stehende Weltsicht fixiert, dass er den jüdischen Gemeinschaften der Mitte instinktiv feindselig gegenübersteht“.

Im August dann hatte Corbyn zugegeben, dass es ein „echtes Problem“ mit Antisemitismus in seiner Partei gebe. Labour arbeite daran, sagte er zu. Corbyn wies einen Teil der jüngst gegen seine Partei erhobenen Vorwürfe aber auch als „überhitzte Rhetorik“ zurück. So könne er die Aussage nicht akzeptieren, Labour sei eine „Bedrohung“ für Juden.

Auch am Dienstag gab es Umgehend Kritik an der Entscheidung des Exekutivkomitees. Die Labour-Abgeordnete Margaret Hodge kritisierte im Kurzbotschaftendienst Twitter, die zusätzliche Erklärung „verwässert die begrüßenswerte komplette Annahme der IHRA-Definition“.

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