Hartz IV und Familiengeld: Besser leben in Ingolstadt

In bestimmten Kommunen in Bayern wird das neue Familiengeld nicht auf Hartz IV angerechnet. Die Frage ist nur, wie lange das gut geht.

Klienre Junge läuft auf einer Brücke. Er ist von hinten zu sehen

Wenn er in Ingolstadt lebt, wird seiner Familie das Familiengeld nicht auf Harzt IV angerechnet Foto: Japheth Mast / Unsplash

BERLIN taz | Seit dem 1.September ist es besser, in Ingolstadt zu leben oder in Schweinfurt, jedenfalls, wenn man Hartz IV-EmpfängerIn ist und kleine Kinder hat. Die beiden Städte gehören wie Erlangen und Kaufbeuren sowie einige Landkreise zu den sogenannten Optionskommunen und diese Gemeinden wollen die neue bayrische Sozialleistung, das Familiengeld, nicht mit Hartz IV verrechnen.

„Bei uns wird das Familiengeld nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet“, sagt Ingrid Schmutzler, Sprecherin der Stadtverwaltung Ingolstadt, der taz. Immerhin 250 Euro pro Monat gibt es ab 1. September vom bayrischen Staat pro Kind, ab dem 13. Lebensmonat, maximal zwei Jahre lang. Ab dem dritten Kind sind es sogar monatlich 300 Euro. Das Geld wird vom Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) direkt und relativ unbürokratisch an die Eltern überwiesen, da die meisten beim Zentrum schon mal einen Antrag auf Elterngeld gestellt haben und deshalb dort bereits registriert sind.

Nur den meisten Hartz-IV-Empfängern nutzt das nichts: Die Familienleistung müssen sie beim Jobcenter angeben und sie wird ihnen dort wieder von Hartz IV abgezogen. „Das Familiengeld gilt als Einkommen und wird mit der Leistung verrechnet“, sagt Olga Saitz, Sprecherin der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit.

Cool wie die Gallier

93 Jobcenter gibt es in Bayern, 83 davon unterstehen der Bundesagentur für Arbeit und sind damit dem Bundesarbeitsministerium nachgeordnet. Zehn Jobcenter aber gehören zu sogenannten Optionskommunen. Diese führen ihre Jobcenter in Eigenregie unter Aufsicht des bayerischen Staates. Sie wollen das Familiengeld nicht mit den Hartz IV-Leistungen verrechnen, ganz im Sinne der bayerischen Landesregierung.

Dies ist aber höchst strittig. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits angekündigt, Hartz IV-Zahlungen, die ja Bundesleistung sind, von diesen Kommunen zurückzufordern. Doch in den Kommunen bleibt man cool wie ein gallisches Dorf angesichts der Römer. „Es gilt der Vertrauensschutz“, erklärt Schmutzler in Ingolstadt. Die Hartz-IV-Empfänger werden nicht damit beunruhigt, dass der Bundesarbeitsminister unter Umständen eine rückwirkende Anrechnung des Familiengeldes auf die Hartz-IV-Leistung fordern könnte. „Das wird nicht kommuniziert“, sagt die Sprecherin.

Die Bayerische Staatsregierung ist bislang der Überzeugung, dass eine Anrechnung des Familiengeldes auf Hartz IV nicht in Betracht kommt, weil das Familiengeld nicht den Zweck der „bloßen Existenzsicherung“ verfolge wie Hartz IV, sondern Eltern einen „größeren finanziellen Gestaltungsspielraum“ eröffnen soll in der „frühen Erziehung und Bildung der Kinder einschließlich gesundheitsförderlicher Maßnahmen“. So steht es im Bayerischen Familiengeldgesetz.

Das Erziehungsgeld gab es auch on top

Der Streit zwischen der bayrischen CSU-Landesregierung und dem SPD-Bundesarbeitsminister erinnert an einen alten Konflikt: Bis zum Jahre 2011 wurde das staatliche Elterngeld und zuvor auch das sogenannte Erziehungsgeld nicht oder nicht voll auf Hartz-IV-Leistungen beziehungsweise die frühere Sozialhilfe angerechnet. Eine Alleinerziehende konnte noch zu Zeiten des Erziehungsgeldes bis zu zwei Jahre lang monatlich 300 Euro Erziehungsgeld zusätzlich zur Grundsicherung für sich und ihr Kind beziehen. Dies wurde dann im Rahmen der Spargesetze gekippt.

Der Anrechnungs-Streit schwelt bis heute weiter, in wechselnden Varianten, weil Hartz-IV-EmpfängerInnen heute weder von einer Erhöhung des Kindergeldes noch des Elterngeldes profitieren. Beides wird immer auf die Leistung vom Jobcenter angerechnet. So nun auch das Familiengeld in Bayern bei den 83 Jobcentern, die der Bundesagentur und damit dem Bundesarbeitsministerium unterstehen.

Insider vermuten, dass der Streit zwischen der bayrischen Landesregierung und dem Bundesarbeitsministerium am Ende pragmatisch enden wird. Die gegenwärtige Ungleichbehandlung von Hartz-IV-Empfängern etwa in Augsburg und Schweinfurt ist auch für Bayern ein Problem. Nach der bayerischen Landtagswahl lenkt die Landesregierung möglicherweise ein, die Optionskommunen rechnen dann das Familiengeld auch auf Hartz-IV-Leistungen an, zurückgefordert wird aber nichts. Schließlich spart das Familiengeld aus der bayerischen Landeskasse den Jobcentern, bei denen es auf die Bundesleistung Hartz-IV angerechnet wird, auch eine Menge Geld.

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