Kommentar Koalitionsstreit um Maaßen: Außer Verfassung

Die Spitzen von Union und SPD haben ihre Beratungen um die Zukunft von VS-Präsident Maaßen vertagt. Dabei ist es höchste Zeit für seine Entlassung.

Verfassungsschutzchef Maaßen sitzt mit gefalteten Händen auf einem Sessel

Wann geht er? Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen Foto: ap

Juristen wie Hans-Georg Maaßen werden sich gut an Theodor Maunz erinnern können. Maunz galt einst als vermeintlich untadeliger Verfassungsrechtler – bis zu seinem Tod 1993. Da offenbarte der rechtsextreme Verleger Gerhard Frey, dass ihm ausgerechnet der Kronjurist des Grundgesetzes über Jahrzehnte im Verborgenen ein „treuer Wegbegleiter und maßgeblicher Berater“ gewesen war. Das ist der entscheidende Unterschied zu Verfassungsschutzpräsident Maaßen: Bei ihm muss die Öffentlichkeit nicht darauf warten, bis ein Verfassungsfeind irgendwann, wenn es zu spät ist, offenbart, wes Geistes Kind er ist.

Mit einer abenteuerlichen Rabulistik hat Maaßen im Innenausschuss des Bundestages seine kruden Aussagen zu Chemnitz gerechtfertigt. Dabei ist allzu offensichtlich, dass es ihm mit seinen autorisierten Zitaten in der Bild-Zeitung nur darum ging, die rechten Ausschreitungen zu relativieren. Alleine das lässt Maaßen als VS-Präsidenten völlig ungeeignet erscheinen. Allerdings war das kein einmaliger Ausfall, wie seine zahlreichen Treffen mit AfD-Politikern dokumentieren. Ausgerechnet er kann oder will die Gefahr von Rechts nicht erkennen.

Immer deutlicher wird, dass ausgerechnet der oberste Verfassungsschützer seine schützende Hand über den rechten Sumpf hält. Wer sich den aktuellen Verfassungsschutzbericht anschaut, erkennt schnell die ideologische Schieflage: In jenem Traktat, über das Maaßen ausgerechnet einen AfD-Abgeordneten vom völkisch-­na­tio­na­lis­tischen Flügel vorab informierte, werden diverse angeblich „offen ex­tre­mis­tische Strukturen“ der Linkspartei als Beobachtungsobjekte aufgezählt, die AfD taucht demgegenüber ausschließlich als vermeintliches Opfer auf. Die antidemokratischen Tendenzen der Partei finden keinerlei Erwähnung.

Maaßen hätte niemals Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz werden dürfen. Denn von Anfang bestanden berechtigte Zweifel, dass der kühle Jurist mit der goldumrandeten Nickelbrille in der Lage sein würde, nach den Geheimdienst-Skandalen rund um die Mordserie des rechtsterroristischen NSU das Vertrauen der Bürger und der Politik in den Verfassungsschutz wiederherzustellen. Für den dringend notwendigen Neuanfang der Behörde war er genau der falsche Mann.

Schließlich galt er bereits vor seinem Amtsantritt als ein „Hardliner“, der „für antirassistische Haltungen nicht bekannt“ sei. Nicht vergessen werden sollte sein zynisches „Rechtsgutachten“ im Fall Murat Kurnaz, mit dem der damalige Ministerialbeamte 2002 nicht unmaßgeblich dazu beigetragen hat, die Haftzeit des unschuldig in Guantánamo inhaftierten Bremers um Jahre zu verlängern.

Maaßen hat seit seinem Amtsantritt 2012 eine politische Fragwürdigkeit an die nächste gereiht. Er hat behauptet, der Whistleblower Edward Snowden sei vermutlich ein russischer Agent. Und er hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Blogger von Netzpolitik.org angestoßen. Mit Linken und Demokraten hat Maaßen offenkundig Probleme. Wenn es um die Beobachtung der AfD geht, ist er hingegen bemerkenswert untätig geblieben. Als Verfassungsschützer hat er sich damit disqualifiziert.

Es ist bezeichnend für den Zustand der schwarz-roten Koalition, dass sich die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD bei ihrem Spitzengespräch an diesem Donnerstag nicht auf das eigentlich Selbstverständliche haben verständigen können: die Entlassung von Maaßen. Jetzt haben sie sich erst mal auf den kommenden Dienstag vertagt. Doch das Problem lässt sich nicht aussitzen. Es bleibt dabei: Es ist höchste Zeit für seinen Abgang. Je schneller, desto besser.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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