Ungarn trotzt dem EU-Parlament: Orbán im Wutwahn

EU-Abgeordnete wollen Ungarns Rechtsstaat überprüfen. Ministerpräsident Orban wehrt sich mit Propaganda und freut sich auf die Europawahlen.

Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn

Wähnt sich von Feinden umgeben: Viktor Orbán Foto: ap

WIEN taz | Viktor Orbán weiß die große Bühne zu nutzen. Beim informellen Gipfel in Salzburg konnte der rechtsnationale Ministerpräsident Ungarns den Journalisten wieder einmal sein Credo zur Flüchtlingspolitik ins Mikrofon diktieren: „Lasst sie nicht rein und schickt jene, die schon da sind, zurück!“

Alles andere würde Orbán zu Hause unglaubwürdig machen, fährt er doch konsequent seine Linie, dass die EU-Kritik an Ungarn nichts mit Demokratie­abbau im Land zu tun habe, sondern einzig der konsequenten Abschottung gegenüber illegalen Einwanderern geschuldet sei.

Nachdem das EU-Parlament vergangene Woche ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet hatte, lancierte die Regierung in Budapest auf ihrer Facebook-Seite sogar ein Video mit dem Titel „Geben wir der Erpressung nicht nach!“ Von dramatischer Musik untermalt heißt es da: „Die einwanderungsfreundliche Mehrheit im Europaparlament will uns zum Schweigen bringen, weil wir unsere Heimat und Europa mit einem Grenzzaun schützen.“ Weitere Clips sollen folgen.

Orbán selbst legte am Freitag bei seinem allwöchentlichen Auftritt im Kossuth-Radio nach und prophezeite den Abgeordneten in Brüssel eine bevorstehende Revolution: „Dies ist also ein Europäisches Parlament, das man – bei allem Respekt, aber – als eine auslaufende Kollektion ansehen muss, seine Tage sind gezählt. Im Mai werden sie abtreten und bei den Wahlen im Mai zum Europäischen Parlament werden die Menschen neue Abgeordnete wählen. Alles, was geschieht, ist in diesem Zusammenhang zu deuten.“

Kritik an Österreichs Kanzler Sebastian Kurz

Noch deutlicher wurde die Kolumnistin Mariann Őry in der regierungsfreundlichen Tageszeitung Magyar Hírlap. Das „Gebrüll“ im EU-Parlament sei von der Angst der alten herrschenden Eliten ausgegangen, die den Verlust von Einfluss fürchte und „die aufstrebenden Kräfte stoppen“ wolle.

Orbán beschwor in seinem Radiointerview: Das künftige EU-Parlament werde nach dem prognostizierten Rechtsruck ganz anders aussehen. Er sei ein Hassobjekt für die derzeitige Mehrheit „die es als ihre historische Mission ansieht, die Zusammensetzung Europas zu verändern, einen Bevölkerungsaustausch durchzuführen“.Besonders groß ist der Groll auf die Abgeordneten der konservativen Parteien, zu deren Fraktion ja auch die Fidesz von Viktor Orbán gehört. Sie hatten mehrheitlich für den kritischen Bericht und die Sanktionen gegen Ungarn gestimmt. Selbst Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der Orbán sonst immer in Schutz genommen hatte, befürwortete das Abstimmungsverhalten.

Viktor Orbán

„Dies ist ein Parlament, das man als auslaufende Kollektion ansehen muss“

Für den schärfsten Hassprediger unter Ungarns Journalisten, den notorischen Antisemiten Zsolt Bayer, ist Kurz deshalb ein „Verräter“. Orbán selbst urteilte in Kossuth-Radio milder „über einen jungen Mann, der am Anfang seiner dreißiger Jahre ist, der in solch eine problembelastete, undurchschaubare, sehr viele Zusammenhänge beinhaltende Diskussion hineingeworfen wird“.

Die EVP, die Fraktion der konservativen Parteien im Europaparlament, hat sich im übrigen bei einer Sitzung in Salzburg nicht entscheiden können, die Fidesz auszuschließen. EVP-Präsident Josep Daul gab bekannt, man wolle ein mögliches Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn abwarten. Für Sven Giegold, den Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Europäischen Parlament, bedeutet das „eine schwere Bürde für den Europawahlkampf. Mit Orbán in den eigenen Reihen kann man keinen glaubwürdigen proeuropäischen Wahlkampf führen“.

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