Kataloniens Separatisten vor Jahrestag: Die Bewegung ist angeschlagen

Bei Protesten in Barcelona ist es zu Krawallen gekommen. Vor dem Jahrestag des Unabhängigkeitsreferendums zeigt sich die Bewegung politisch gespalten.

Demonstration von Unabhängigkeitsbefürwortern in Barcelona

Proteste in Barcelona vor dem Jahrestag des Unabhängigkeitsreferendums Foto: dpa

Bereits seit diesem Wochenende begehen die Befürworter der Unabhängigkeit Kataloniens den Jahrestag des Referendum vom 1. Oktober 2017. Dabei ist es am Samstag in Barcelona zu Krawallen gekommen. Die katalanische Polizei wurde von Separatisten attackiert, die sich einer Demonstration von Beamten der nationalen Polizeieinheiten Policía Nacional und Guardia Civil nähern wollten und daran gehindert wurden.

Die katalanischen Polizisten seien unter anderem mit Farbbeuteln und Eiern beworfen worden, berichteten spanische Medien unter Berufung auf die Behörden. Eine Person sei festgenommen worden. Über Verletzte wurde zunächst nichts bekannt.

Am Montag jährt sich zum ersten Mal das als verfassungswidrig eingestufte Unabhängigkeitsreferendum. Zahlreiche Veranstaltungen, sowie kleinere und größere Kundgebungen sollen am Montagabend mit einer Demonstration in Barcelona enden. Der Aufruf, den alle Parteien und Organisationen unterstützen, die für die Loslösung von Spanien eintreten, kann allerdings über eines nicht hinwegtäuschen. Mit neun Politikern und Aktivisten im Gefängnis sowie sieben im Exil – darunter der ehemalige katalanische Regierungschef Carles Puigdemont – ist die Bewegung stark angeschlagen.

Im Januar wird das Gerichtsverfahren beginnen. Allen wird „Rebellion“, „Aufstand“ sowie „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ vorgeworfen. Insgesamt stehen darauf bis zu 55 Jahre Haft. Ein Urteil wird es erst nach den Kommunal- und Europawahlen Ende Mai geben.

Politisch gespalten

Juristisch gehen die Betroffenen gemeinsam vor. Doch politisch ist die Unabhängigkeitsbewegung längst gespalten. Die Linie verläuft zwischen Puigdemont und seiner „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) und dem inhaftierten ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten Oriol Junqueras mit seiner Republikanischen Linken Kataloniens (ERC). Für Puigdemont und seinem engen Vertrauten, Quim Torra, der mittlerweile in Katalonien einer Koalitionsregierung aus JxCat und ERC vorsteht, ist das Ergebnis der Volksabstimmung „ein politischer Auftrag“.

Am Referendum vor einem Jahr nahmen trotz Verbot und polizeilicher Repression, die knapp 1.000 Verletzten zur Folge hatte, 43 Prozent der Wahlberechtigten teil. 90 Prozent sprachen sich für die Loslösung von Spanien aus. Keine vier Wochen später verkündete Puigdemont im Parlament die „katalanische Republik“. Madrid löste seine Regierung auf und stellte Katalonien unter Zwangsverwaltung. Puigdemont ging ins Exil, Junqueras endete in Untersuchungshaft.

„Das katalanische Volk hat in der Volksabstimmung vom 1. Oktober 2017 einem unabhängigen Staat in Form einer Republik beschlossen. Dies wurde am 27. Oktober vom Parlament bestätigt und am 21. Dezember gültig, als bei vom spanischen Staat aufgezwungenen Wahlen eine Mehrheit für die Unabhängigkeit gewählt wurde“, heißt es im von Puigdemont und Torra ins Leben gerufenen „Nationalen Aufruf für die Republik“, dem sich seit Juli 50.000 Menschen angeschlossen haben. Jetzt gelte es diese Republik Realität werden zu lassen.

„Weder links noch rechts“

Junqueras sieht das anders. „Keiner kann auf dem politische Wert des 1. Oktobers verzichten“, erklärt er in einem Interview im Vorfeld des Jahrestages. Doch ein direktes Mandat für die Errichtung einer Republik sieht er darin nicht. Er strebt nach eigenen Worten eine „pragmatische Politik“ an, will die mehr Unterstützer für eine Unabhängigkeit gewinnen und Madrid so zwingen, ein Referendum in beiderseitigem Einverständnis abzuhalten.

Es geht um mehr als politische Nuancen, es geht um die Vorherrschaft in der Unabhängigkeitsbewegung. Puigdemont und Torra erklären: Die neue Bewegung sei „weder links noch rechts“ und stehe allen offen, die für das neue Katalonien eintreten. Der „Aufruf“ will bei den Kommunalwahlen und wohl auch zu den Europawahlen im kommenden Mai antreten und erreichen, dass die einzelnen Parteien auf eine eigene Kandidatur verzichten, so wie dies bei den katalanischen Wahlen 2015 gelang.

Doch Junqueras ist dafür nicht zu haben. Er kündigte am Samstag per Brief aus der Haft an, bei den Europawahlen die Liste seiner Republikanische Linke Kataloniens (ERC) höchstpersönlich anführen zu wollen. Ausserdem besteht er auf eigenen Bürgermeisterkandidaturen. „Für mich ist der beste Weg, derjenige, der es erlaubt mehr Wähler für die Unabhängigkeitsbewegung zu gewinnen, indem wir koordiniert im jeweiligen politischen Umfeld arbeiten“, erklärt Junqueras.

Die Umfragen sehen seine ERC in der Wählergunst vor Puigdemonts Option, wie immer sie auch heißen mag. Doch das war auch im vergangene Dezember so und Puigdemont setzte sich letztendlich gegen Junqueras durch, der auch damals auf eine eigene Kandidatur seiner ERC bestanden hatte.

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