Nach Razzia gegen Rechtstextremisten: Terrorgruppe schon seit 2013 aktiv?

Eine Facebook-Seite mit dem Namen „Revolution Chemnitz“ war dem sächsischen Innenministerium bereits seit Jahren bekannt.

Stiefel marschieren, im Hintergrund Deutschlandflaggen

Die mutmaßlichen Rechtsterroristen waren den Behörden schon länger bekannt Foto: dpa

BERLIN taz | Die mutmaßlichen Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe „Revolution Chemnitz“ hatten einen rechtsextremen Umsturz des politischen Systems in Deutschland zum Ziel. Dafür wollten sie mehr Terror als der NSU verbreiten. Das geht aus Chats der Gruppe hervor, die von den Ermittlern überwacht wurden. Die Süddeutsche und der Spiegel hatten zuerst darüber berichtet. In der Chatgruppe hieß es, man wolle nur „gewaltbereite Leute“ rekrutieren; der NSU, der zehn Menschen ermordet und drei Bomben gelegt hat, wird als „Kindergartenvorschulgruppe“ bezeichnet. Wie gefährlich die Gruppe aber wirklich war – wie viel konkrete Planung also und wie viel Maulheldentum hinter diesen Äußerungen steckt – ist bislang nicht bekannt.

Nachdem am Montagabend noch ein weiterer Verdächtiger festgenommen wurde, stehen inzwischen insgesamt acht Männer im Fokus der Ermittler. Alle acht Festgenommenen befinden sich mittlerweile in Untersuchungshaft. Sie sind zwischen 20 und 31 Jahre alt, stammen aus der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene im Raum Chemnitz und sollen sich selbst als führende Figuren in der rechtsextremistischen Szene Sachsens verstehen.

Laut Ermittlern wollten sie am 3. Oktober losschlagen. Die Gruppe habe sich „intensiv bemüht“, an halbautomatische Schußwaffen zu kommen, so die Sprecherin der Bundesanwaltschaft, Frauke Köhler. Ob ihnen dies gelang, ist bislang unklar. Bei Hausdurchsuchungen wurden Schlagstöcke und ein Luftgewehr gefunden. Der Plan der acht Männer soll es gewesen sein, Angriffe und Anschläge auf Migranten, Politiker und politisch Andersdenkende zu begehen. Die Gruppe soll sich spätestens am 11. September gegründet haben.

Einzelne Mitglieder der Gruppe könnten aber schon länger aktiv sein. Dies liegt zumindest eine Facebook-Seite unter dem Namen „Revolution-Chemnitz ANW“ nah, die es seit 2013 gibt – und die den sächsischen Behörden spätestens seit 2014 bekannt ist. In einer Verbotsverfügung des sächsischen Innenministeriums, bei der es um die „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ und um die Aktionsgruppe „Raus in die Zukunft“ geht, wird die Facebookseite bereits erwähnt.

Sächsischens Innenministerium äußert sich nicht

In der Verfügung, die der taz vorliegt, heißt es: „Auf der einschlägigen Internet-Seite Aktionsgruppe Chemnitz von „Raus in die Zukunft“ findet sich ein Link auf das Facebookprofil „Chemnitz – ANW“. Die derzeit noch nicht identifizierten Betreiber werben dort nicht nur für Aktionen der Nationalen Sozialisten Chemnitz, sondern auch mit besonders aggressiver Wortwahl für die „Volkstodkampagne“. Als Ziel fordern sie den „Nationalen Sozialismus.“ Der Stern hatte zuerst darüber berichtet. Nachfragen der taz beantwortete das sächsische Innenministerium zunächst nicht.

Für ihre Aktion am 3. Oktober hatte die Gruppe laut Ermittlern vor zwei Wochen bereits einen Problelauf durchgeführt. 15 Verdächtige, die sich Zeugenaussagen zufolge als „Bürgerwehr“ bezeichneten, hatten nach einer Kundgebung von „Pro Chemnitz“ Iraner und Pakistaner angegriffen. Bewaffnet mit Glasflaschen, Quarzhandschuhen und einem Elektroschocker mischten in dieser Gruppe den Ermittlungen zufolge der mutmaßliche Anführer von „Revolution Chemnitz“ Christian K. und weitere der jetzt Beschuldigten mit. K. saß seitdem in Untersuchungshaft.

Anm. der Red., 03.10.: Diese Version des Textes ist mit dem neuesten Stand der Ermittlungen aktualisiert. Zuvor war noch von fünf Männern die Rede, für die vom Richter Untersuchungshaft angeordnet wurde.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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