Tod nach widerrechtlicher Haft: Biesenbach soll gehen

Ein Hilferuf aus der Zelle erschüttert die Suizid-Theorie der Landesregierung. Nun fordern SPD und Grüne den Rücktritt des NRW-Justizministers.

Peter Biesenbach gestikuliert am Mikro

Gerät weiter unter Druck: NRW-Justizminister Peter Biesenbach Foto: dpa

BOCHUM taz | Im Fall des in seiner Zelle verbrannten und zuvor monatelang zu Unrecht inhaftierten Syrers Amed A. gerät Nordrhein-Westfalens Justizminister Peter Biesenbach immer stärker unter Druck: SPD und Grüne fordern den Rücktritt des Christdemokraten.

Biesenbach habe bisher verschwiegen, dass der 26-Jährige Syrer am Brandabend den Alarmknopf in seiner Zelle gedrückt und damit um Hilfe gerufen habe, sagte SPD-Landtagsfraktionsvize Sven Wolf. Damit habe der Minister „in einer sehr zentralen Frage das Parlament und die Öffentlichkeit falsch informiert“.

Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Monika Düker, forderte den Abgang des Christdemokraten: Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Armin Laschet sei „in der Verantwortung, diesen Minister zu entlassen, um den Weg für eine glaubwürdige Aufklärung freizumachen“.

Amed A. war am 17. September bei einem Brand in seiner Zelle so schwer verletzt worden, dass er am 29. September nach einer Lungentransplantation in der Bochumer Unfallklinik Bergmannsheil starb. Zuvor hatte der Bürgerkriegsflüchtling seit dem 6. Juli widerrechtlich in Haft gesessen: Ein von der Staatsanwaltschaft Hamburg mit zwei Haftbefehlen gesuchter Schwarzafrikaner aus Mali hatte als Alias einen ähnlichen Namen benutzt wie den von Amed A.

„Die Ermittlungen, die andauern, werden sich auch auf die Frage erstrecken, ob und wann das durch die Gegensprechanlage ausgelöste Lichtsignal deaktiviert wurde“, heißt es in dem Bericht an die Landtagsfraktionen.

Die Verwechselung fiel nicht auf, weil nordrhein-westfälische Polizeibeamte es versäumten, Fotos, Geburtsort oder Staatsangehörigkeit zu vergleichen. CDU-Landesinnenminister Herbert Reul hat deshalb „schwere Fehler“ seiner Polizei eingeräumt.

Justizminister Biesenbach hatte bisher den Eindruck erweckt, der Verzweifelte könne seinen Tod selbst herbeigeführt haben. Ein nicht-öffentlicher Bericht seines Ministeriums, der der taz vorliegt, erschüttert jetzt aber diese Suizidtheorie. Danach hat Amed A. am 17. September um 19:19:10 Uhr sehr wohl den Alarmknopf seines Haftraums mit der Nummer 143 gedrückt und versucht, Hilfe zu rufen.

„Die Ermittlungen, die andauern, werden sich auch auf die Frage erstrecken, ob und wann das durch die Gegensprechanlage ausgelöste Lichtsignal deaktiviert wurde“, heißt es in dem Bericht an die Landtagsfraktionen.

Zuvor hatte es die Justizvollzugsanstalt gemeldet, die Überwachungsdaten, die den Notruf sekundengenau festhielten, seien bereits gelöscht worden. Justizminister Biesenbach will von einen Rücktritt dennoch nichts wissen: „Wir haben immer darauf hingewiesen“, ließ der seit Tagen angegriffen wirkende Christdemokrat seinen Sprecher Marcus Strunk erklären, „dass es auch neue Informationen geben kann“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.