Rücktritt nach „Spiegel“-Vorwürfen: Jüdische Gemeinde verliert Kopf

Nachdem „Der Spiegel“ schrieb, er sei kein Jude, legt Wolfgang Seibert seine Ämter in Pinnebergs liberaler Jüdischer Gemeinde nieder.

Zwei Männer vor einer teilweise beschädigten Glas-Eingangstür

Wolfgang Seibert (r.) und der damalige schleswig-holsteinische Innenminister Andreas Breitner (SPD) begutachten 2013 die Spuren eines Anschlags auf die Pinneberger Synagoge Foto: dpa

HAMBURG taz | Ein Rücktritt und eine teilweise Anerkennung von Schuld: Am Freitag hat Wolfgang Seibert seine Ämter in der Jüdischen Gemeinde Pinneberg sowie im Landesverband der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein (LV) niedergelegt. Zeitgleich mit der Mitteilung des LV-Vorstands wurde eine Erklärung von Seiberts Rechtsanwalt Alexander Hoffmann verbreitet: Seibert selbst werde keine Erklärung „zu den Vorwürfen abgeben“. Erhoben hatte die, beinahe genau eine Woche zuvor, Der Spiegel.

Unter dem Titel „Der gefühlte Jude“ hatte das Magazin geschrieben, Seibert sei „ein vorbestrafter Betrüger und Hochstapler“. Am schwersten dürfte aber die Aussage gewogen haben, der Gemeindevorsitzende selbst sei gar kein Jude. Für die nun ausgehende Woche hatte Seibert eine Stellungnahme angekündigt, stattdessen äußerte sich nun sein Anwalt: „Es besteht kein Interesse an einer öffentlich geführten Debatte über die Frage, wer legitimes Mitglied einer jüdischen Gemeinde sein darf und wer nicht.“

Zu den Vorwürfen gegen Seibert heißt es: „Es wird Bezug genommen auf angebliche Kirchenbücher und Hausstandsbücher, aus denen sich ergeben soll, er sei evangelisch geboren. Nun ist es der besonderen Geschichte der Juden in Deutschland geschuldet, dass der Nachweis der jüdischen Abstammung oft nicht eindeutig zu erbringen ist.“ Hoffmann weist hin auf die „nicht angezweifelte“ Bestätigung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, wonach Seibert dort mit kurzer Unterbrechung von 1972 bis 1982 Mitglied war. Der „jüdische Status“ sei bei Gemeindegründung in Pinneberg 2002 „überprüft und bestätigt“ worden, nochmals 2016.

Weiter schreibt Hoffmann: „In einigen Punkten, Vorträgen, öffentlichen Stellungnahmen oder Darstellungen hat Herr Seibert überzogen. In diesem Zusammenhang fühlten sich Einzelpersonen persönlich beleidigt. Dafür möchte sich Herr Seibert hiermit entschuldigen.“

Die Pinneberger Gemeinde verliert nun ihren 1. Vorsitzenden. Bis zu vorgezogenen Neuwahlen wird die LV-Geschäftsführerin kommissarisch Seiberts Funktion übernehmen: Inna Shames, Vorstandsmitglied der Kieler Jüdischen Gemeinde. „Der Sachverhalt befindet sich weiter in Prüfung“, so der LV-Vorstand. Seibert dankt er dafür, „weiteren Schaden“ abzuwenden.

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