Kolumne Blind mit Kind: Glitzer als Kompromiss

Morgens ist das Gequengel groß, denn die Tochter hat klare Vorstellungen von ihrem Outfit: viel rosa – nicht gerade der Geschmack der Mutter.

Ein Mädchen mit großer Sonnenbrille und Kuscheltier in der Hand steht an einer Waschmaschine

Auch ein Kind kann schon eine Diva sein Foto: unsplash/ Andrea Tummons

Das Drama nahm seinen Lauf, als meine Tochter zwei wurde: „Lieber ein Kleid!“, „lieber rosa!“, „lieber mit Minnie Maus!“ Seither stehe ich – mit einer ganz normalen Stoffjeans oder einem unifarbenen Pulli in der Hand – allmorgendlich schön blöd da.

Woher hat sie das bloß? Ich mag es eher sportlich-schlicht, vielleicht ein bisschen elegant. Klare Farben, dezente Muster … Typische Mädchenfarben und riesige Applikatio­nen kann ich nicht leiden – mehrminütige Quengeltiraden aber auch nicht. Und dann ist da auch noch mein Gewissen, das mir vorgibt, nicht meinen eigenen Kleidungsstil auf meine Tochter zu projizieren.

Wenn sie eine klosettfarbene Prinzessin sein möchte wie ihre Kita-Freundinnen, darf ich sie doch nicht ausschließen! Die Modeindustrie gibt es ja vor: Egal welchen Laden man betritt – hier rosa-lila Glitzerfeen, da blaugraue Bagger oder Superhelden … hallo Geschlechterrollen! Aber das ist nicht das Thema.

Das Thema ist, dass ich diese Outfits zusammenstellen muss, ohne dass ich mir ein Bild davon machen kann. Dafür habe ich ein Farb­erkennungsgerät. Das tickt nach seinem eigenen Farbspektrum. Rosa und Pink sind auf Knopfdruck „rot-violett“. So weiß ich wenigstens, dass ich auf der richtigen Spur bin. „Farben sind verschieden“, verkündet es bei Betätigung des zweiten Knöpfchens, wenn ich verzweifelt versuche, aus dem Wust fröhlich bunter Einzelstücke in der Sockenkiste ein passendes Paar zusammenzustellen.

Ich leide an Kontrollverlust

Bei Mustern steigt das hilfsbereite Gerät aber sowohl farb- als auch formtechnisch aus, und eine detaillierte Personenbeschreibung von Disneys Eiskönigin Elsa kann es mir auch nicht liefern. Das kriegen oft nicht mal die Verkäuferinnen hin, die ich eingehend über Lagerung und Ausmaß der Applikationen auf den Kleidungsstücken befrage. Das ein oder andere Einhorn ist mir so bestimmt schon durch die Lappen gegangen.

Warum das Ganze schlimm ist? Wenn sie das so möchte, lass sie doch ihren „Style“ selbst auswählen, egal wie krude die Zusammenstellung wird – diese Theorie ist gut. In der Praxis leide ich an Kontrollverlust: Ich kann sie nicht einschätzen, diese Minnie-Mäuse und Kitty-Katzen! Sind sie gut gezeichnet? Zu groß? Zu bunt? Passen sie zur Grundfarbe des Kleidungsstücks?

Andere Eltern

Die arme Mama kann das ja nicht sehen!

Vielleicht wäre auch das egal, aber da ist noch die Sache mit der Außenwirkung. Wenn das Kind einer blinden Mutter völlig unpassende Muster und schreiende Farben miteinander kombiniert, heißt es sofort: „Die arme Mama kann das ja nicht sehen!“ Das stimmt, aber diese Unterstellung beleidigt meinen Sinn für Ästhetik ganz ungemein.

Unser Kompromiss besteht in ganz viel Glitzer. Denn auch ein einfarbig grüner Pulli wird tolerabel, wenn der Unterfaden ordentlich schimmert. Muss es am nächsten Tag doch mal wieder eine Minnie Maus sein – Augen zu und durch. Immerhin muss ich ja meine Augen nicht mal schließen, um mich dem Anblick zu entziehen!

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