Höchster Segen für Kalibergbau: Der „Basta!“-Minister

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) will das Genehmigungsverfahren für eine Kaligrube per Machtwort abschließen. Der Kreistag in Hildesheim wehrt sich.

Ein weißer Berg ragt hinter einem Fluss auf.

Trügerische Idylle: Was wie ein Berg aussieht, ist eine Abraumhalde aus dem Kalibergbau Foto: dpa

GÖTTINGEN taz | Der Düngemittelhersteller K+S will das vor mehr als einem Vierteljahrhundert stillgelegte Kalibergwerk Siegfried bei Giesen im Kreis Hildesheim reaktivieren. Bei Kommunalpolitikern und Umweltschützern stößt das auf Bedenken. Doch jetzt hat sich Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies per Anweisung in das seit fast fünf Jahren anhängige Genehmigungsverfahren eingemischt.

Der Kreis soll den Plänen des Unternehmens zustimmen, ordnete der SPD-Politiker und frühere Wirtschaftsminister des Bundeslandes jetzt an. Ob und wann die Grube tatsächlich wieder den Betrieb aufnimmt, ist aber noch nicht ausgemacht.

Siegfried ist ein sogenanntes Reservebergwerk, das heißt, es verfügt noch über nachgewiesene Reserven an Rohsalzkomponenten. K+S, die frühere Kali und Salz AG, strebe die Wiederinbetriebnahme aufgrund der weltweit steigenden Nachfrage nach Düngemitteln an, sagt ein Unternehmenssprecher. Mehr als neun Milliarden Menschen würden Mitte des 21. Jahrhunderts laut UN-Schätzungen auf der Erde leben, zwei Milliarden mehr als heute. Die landwirtschaftliche Produktion müsse bis dahin um 70 bis 100 Prozent steigen, um sie alle ernähren zu können. Mineraldünger würden dabei eine wichtige Rolle spielen.

Bereits 2010 ließ K+S in einer Machbarkeitsstudie die technischen und betriebswirtschaftlichen Aspekte einer Wiederinbetriebnahme des Bergwerks prüfen. 2015 beantragte der Konzern die Genehmigung. Das Verfahren wird vom Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie geführt. K+S wirbt für das Vorhaben mit dem Versprechen, mehr als 500 Arbeitsplätze zu schaffen. Mehrere hundert Millionen Euro sollen investiert werden, um das Bergwerk zu reaktivieren.

Der Kreistag hat noch keine Genehmigung erteilt

Kommunalpolitiker und Umweltorganisationen haben aber Bedenken. Sie befürchten vor allem, dass das Flüsschen Innerste aufgrund der zu erwartenden Salzbelastung aus der neu aufgeschütteten Halde kippen könnte. Als warnendes Beispiel dienen Werra und Weser, die K+S seit Jahrzehnten mit seinen salzhaltigen Abwässern extrem belastet. Der Hildesheimer Kreistag mit seiner Mehrheit aus CDU und SPD hat deshalb bislang keine Genehmigung erteilt. Es verweist auf ein vom Kreis in Auftrag gegebenes Fachgutachten, das die Einschätzung stütze, das Thema sei für eine Entscheidung noch nicht reif.

Der größte Salzproduzent der Welt, die K+S AG, sitzt in Kassel und beschäftigt weltweit mehr als 14.000 Mitarbeiter.

Die größten Kali-Werke liegen in Thüringen, in Niedersachsen betreibt K+S Gruben bei Hannover und Helmstedt.

Bis zu sieben Millionen Kubikmeter Salzlauge leitet K+S jedes Jahr in den Untergrund, das gilt als Hauptursache für de Versalzung von Werra und Weser.

Gemeinsam mit dem hessischen Umweltministerium stellte K+S 2014 einen Plan vor, um die Menge der eingeleiteten Salzabwässer zu verringern. Danach sollen Werra und Oberweser spätestens im Jahr 2075 Süßwasserqualität haben.

Minister Lies hingegen will das stockende Verfahren nun mit seinem Machtwort zum Abschluss bringen. Er wies den Landkreis an, bis zum 20. November seine Zustimmung zur Salzwasser-Einleitung in die Innerste zu erteilen. Das Einvernehmen von Kreis und Bergamt ist eine Voraussetzung dafür, dass der Bergwerks-Neustart insgesamt genehmigt werden kann. Die fachlichen Grundlagen für eine Entscheidung seien „alle da“, sagte Lies der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung. Wenn sich der Kreistag verweigere, „dann müssen wir das Innenministerium als Kommunalaufsicht einschalten“.

Die Kreistags-Mehrheit will sich nicht ohne Weiteres beugen und hält die Weisung des Ministers für rechtswidrig. Landrat Olaf Levonen (SPD) verweist darauf, dass der Kreistag die Entscheidung über die Salzwasser-Einleitung an sich gezogen hat. Es sei deshalb unzulässig, wenn er als Landrat ohne Votum des Kreistages die Zustimmung erteile. Ein solches Votum sei aber innerhalb der vom Minister gesetzten Frist nicht möglich. Levonen verlangt deshalb, die Frist bis zum 6. Dezember zu verlängern, dem Termin der nächsten Kreistagssitzung.

Das Umweltministerium verlangt positiven Bescheid

Das Umweltministerium will dem aber nur zustimmen, sofern sichergestellt sei, „dass der Kreistag beschließt, das Einvernehmen zu erteilen“. Der CDU-Fraktionschef im Kreistag, Friedhelm Prior, kontert: Niemand könne der Kreisverwaltung oder den Kreistagsabgeordneten ein Ergebnis vorschreiben: „Das ist in unserem Rechtsstaat so, auch wenn dem Minister das offenbar entgangen ist.“

Der Geochemiker Ralf Krupp, der im Wissenschaftlichen Beirat des BUND-Landesverbandes sitzt, zeigte sich auf taz-Anfrage „entsetzt“ über das Vorgehen des Ministers. Lies habe sich „vor den Karren eines Konzerns spannen lassen, dem es weder um die Umwelt noch um die Arbeitsplätze geht, sondern um Gewinne“. Die Weisung sei „ein weiterer Sargnagel für das Vertrauen der Bürger in die Rechtmäßigkeit und Redlichkeit der Politik und der Verwaltungen, die längst zum Spielball der Wirtschafts-Lobbyisten geworden sind.“

Von K+S hingegen habe er „nichts anderes erwartet“, sagte Krupp: „Wie jedes Mal, wenn es um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen zu Lasten der Umwelt geht, wird der Politik mit dem Verlust von Arbeitsplätzen gedroht.“ Beim Kali-Abbau seien bessere Techniken zum Schutz der Umwelt verfügbar, die von K+S geplante Aufschüttung von Halden sei gar nicht erforderlich.

Die Bürgerinitiative Giesenschacht erklärte, Lies habe der Möglichkeit zum Kompromiss „eine Abfuhr erteilt“. Er versuche, die Interessen von K+S gegen berechtigte Einwände durchzusetzen. Außer einer Belastung der Innerste befürchtet die Initiative, dass die Wohn- und Lebensqualität der Giesener Einwohner durch Lärm- und Staub­emissionen aus dem Bergwerksbetrieb erheblich belastet wird.

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