Pariser Gedenkfeier zum Weltkriegsende: Die Macron-Festspiele

Der französische Präsident nutzt die Jubiläumsfeier, um seine Visionen zu bewerben. Trump und Putin sondern sich ab, schießen aber nicht quer.

Macron mit einem Mikrofon in der Hand

Macron beim „Paris Peace Forum“ – konzipiert nach dem Vorbild der Weltklimakonferenz Foto: reuters

PARIS taz | Fast alle waren der Einladung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron gefolgt, um zu Füßen des Triumphbogens an der Gedenkfeier zum Ende des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren teilzunehmen: Delegationen aus rund hundert Ländern, Vertreter internationaler Organisationen, Staats- und Regierungschefs, unter ihnen Angela Merkel, Recep Tayyip Erdoğan, Wladimir Putin und Donald Trump. Nur Theresa May feierte lieber mit der Royal Family. Für diesen einen Tag wollten die Herrschenden dastehen als vereint im Bestreben, Frieden zu schaffen und zu wahren.

Natürlich täuscht die Jubiläumseintracht nicht darüber hinweg, dass nach dem feierlichen Anlass, der mit Ravels „Bolero“ zu Ende ging, sofort wieder Dissonanzen hörbar wurden. Weltpolitik as usual. Ein wenig irritierend mag auf manche der ausländischen Gäste sicher auch der rein französische Beginn der Feier mit einer instrumentalen „Marseillaise“, Macrons Begrüßung der Truppen und einer zweiten, dieses Mal von einem Männerchor angestimmten Nationalhymne gewirkt haben.

Dennoch konnten sich viele ZuschauerInnen vor Ort oder am Fernsehen der Rührung nicht ganz entziehen, als Jugendliche aus dem Pariser Vorort Saint-Denis im Anschluss in mehreren Sprachen Briefe oder Tagebucheinträge von Soldaten aus aller Welt am Tag der Unterzeichnung des Waffenstillstands vortrugen.

Auf Deutsch gab es dabei ein paar Sätze von Erich Maria Remarque, dessen Roman „Im Westen nichts Neues“ den LeserInnen auf der Welt wohl besser als lange Reden von Politikern die Absurdität dieses Völkergemetzels von 1914 bis 1918 verdeutlicht, das als „Erster Weltkrieg“ in die Geschichte einging, ohne allerdings einen dauerhaften Frieden in Europa zu hinterlassen.

Nationalismus ist der Verrat von Patriotismus

Die Rede zu diesem Anlass hat als Gastgeber Emmanuel Macron gehalten, und er nutzte die Gelegenheit, dabei seine Vision einer multinationalen Politik als einzig möglichen Weg zur Verhinderung oder Lösung von Konflikten darzustellen.

Als er die selbstlosen Opfer der Soldaten aller beteiligten Kriegsparteien würdigte, die „für ihr Vaterland und die Freiheit in den Kampf zogen“, wollte er einen wichtigen Unterschied machen: „Patriotismus ist das genaue Gegenteil von Nationalismus. Nationalismus ist sein Verrat“. Einige prominente Zuhörer, unter ihnen Donald Trump, der sich mit seinem „America First“ besonders angesprochen fühlen musste, zuckten nicht mit der Wimper.

Der US-Präsident hat sonst nichts ausgelassen, um sich bei diesem Treffen der Großen der Welt abzusondern. Während die Ehrengäste unter strömendem Regen gemeinsam auf der Avenue des Champs-Élysées zum Triumphbogen marschierten, fuhr Trump eskortiert von mehreren Fahrzeugen in seiner aus dem Auspuff rauchenden, 9 Tonnen schweren gepanzerten Limousine, in der er wartete, bis alle anderen Platz unter dem Festzelt genommen hatten. Nur Putin, der dieses Spielchen „Du zuerst – nein, du“ auch kennt, traf als Letzter noch später ein.

Nach Veteranen-Kritik besuchte Trump einen Friedhof

Ein bilaterales Treffen zwischen den beiden sollte auf Wunsch von Macron nicht stattfinden, damit der eigentliche Anlass (und der Gastgeber selbst) nicht zu sehr in den Schatten gestellt würde. Eigentlich wollte Trump gar nicht kommen, sondern seinen Vize Mike Pence schicken. Schließlich wollte er sich die Show aber nicht stehlen lassen, obwohl ihn Macron mit seinen Äußerungen zur Notwendigkeit einer „europäischen Verteidigung“ mächtig geärgert – oder, wie Trump auf Twitter sagte: „sehr beleidigt“ – hatte.

Mit der herzlichen Freundschaft der ersten Tage zwischen den beiden ist es nicht mehr so weit her. Das war bei einem Fototermin am Samstag sichtbar. Dass Trump danach wegen des schlechten Wetters nicht wie ursprünglich geplant einen US-amerikanischen Soldatenfriedhof besuchte, stieß in seinem Land bei den ihm sonst nahestehenden Veteranenverbänden auf Protest. Statt sich vollregnen zu lassen, zog er es vor, aus seiner Botschaft in Paris per Twitter die Innenpolitik zu kommentieren. Am Sonntagnachmittag wurde er dann doch auf dem Soldatenfriedhof Suresnes gesehen.

Seine Stimmung besserte sich nicht, als sich dann am Sonntagvormittag auf seinem Weg zum Triumphbogen eine Femen-Aktivistin, die über die Absperrung geklettert war, mitten auf der Avenue vor die Eskorte stellte. Sie wurde rasch von Polizisten gepackt und weggeschleift. „Fake Peacemaker“ stand auf ihrem nackten Oberkörper.

Femen gegen „falsche Friedensstifter“

Schon am Vortag hatten drei Femen-Mitglieder am Triumphbogen gegen die Heuchelei der „falschen Friedenstifter“ demonstriert. Am Nachmittag fand zudem auf dem Platz der Republik im Zentrum, aber weit ab von den offiziellen Feierlichkeiten, eine Demonstration gegen Trump statt.

Überhaupt geht dem US-Staatschef bei diesen Friedensanlässen viel zu viel gegen den Strich. Er muss es als pure Provokation betrachten, dass mit Macrons Zutun erstmals ein „Paris Peace Forum“ stattfindet, bei dem nichtstaatliche Organisationen aus aller Welt friedensstiftende Initiativen und Projekte im Bereich der Entwicklung, Armutsbekämpfung oder Klimapolitik vorstellen. Der nach dem Vorbild der Klimakonferenzen konzipierte und von Sponsoren wie Microsoft, Google oder George Soros mitfinanzierte „Soft Power“-Anlass soll zu einer Institution werden.

Macrons Slogan: Hoffnungen statt Ängste

Macron träumt bereits von der ersten Fortsetzung am kommenden Nationalfeiertag: Am 14. Juli 2019 sollen gemäß seiner Vorstellung beim zweiten Pariser Friedensforum die universellen Werte der Revolution im Zentrum stehen.

Trump wollte dieses erste Pariser Forum schneiden, das so ziemlich alles an multinationalen Organisationen, Stiftungen und anderen NGOs vereint, die ihm ein Horror sind. Die Eröffnungsrede beim Friedensforum in der Villette im Nordosten von Paris wollte Macron dagegen seiner deutschen Partnerin Angela Merkel überlassen, mit der er an diesem Jubiläumswochenende eine spezielle Herzlichkeit zur Schau stellte.

Die deutsch-französische Freundschaft, die Europäische Union und auch die UNO sind seinen Worten zufolge der beste Beweis, dass trotz allem gewisse Lehren aus der Geschichte der Weltkriege gezogen wurden. „Lasst uns unsere Hoffnungen zusammenführen, statt unsere Ängste gegeneinander auszuspielen“, lautete Macrons Slogan.

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