Weltgipfel der Forschungsmuseen: Umgang mit dem kulturellen Erbe

Forschungsmuseen beraten in Berlin über neue Wege der Wissensvermittlung. Das Image als „verstaubte Orte der Vergangenheit“ soll weg.

Besucherin steht vor einer Ausstellungsvitrine im Naturkundemuseum Berlin

Sonderausstellung „Artefakte“ im Berliner Naturkundemuseum: Vitrine mit Objekten zum Thema Klimawandel Foto: dpa

BERLIN taz | Die Forschungsmuseen, die neben der Aufbewahrung von lehrreichen Objekten aus Natur- und Kulturgeschichte diese auch wissenschaftlich genauer untersuchen, wollen das Image als „verstaubte Orte der Vergangenheit“ abstreifen. Vor allem den naturwissenschaftlich ausgerichteten Museen ist es angesichts des Klimawandels zunehmend wichtiger, auch aktuelle ökologische Bezüge zu thematisieren und einem breiten Publikum zu vermitteln. Wie dies geschehen kann, wollen die Direktoren führender Einrichtungen in der kommenden Woche auf dem ersten Weltgipfel der Forschungsmuseen im Rahmen der „Berlin Science Week“ beraten.

„Der Klimawandel und das Aussterben von Tieren und Pflanzen sind eng verbunden mit einer globalen Gerechtigkeit – und gleichzeitig auf schädliche Weise im Ungleichgewicht“, sagt Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin, das gleichzeitig Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung ist. „Darum treffen sich Forschungsmuseen aus aller Welt in Berlin, um auf die Probleme zu reagieren und Verantwortung für die Welt von morgen zu übernehmen“.

Vogel ist nicht nur Gastgeber, sondern zusammen mit Matthias Kleiner, dem Präsidenten der Leibniz-Forschungsgemeinschaft, auch der Initiator der Konferenz. 131 Museumsvertreter von 91 Einrichtungen aus 23 Ländern haben sich angekündigt. An der Vorbereitung der Konferenz „Global Summit of Research Museums – das Gestaltungspotenzial der Forschung“ („The Transformative Potential of Research“) waren auch die Smithsonian Institution Washington, das Natural History Museum London und das British Museum beteiligt.

Die Leibniz-Gemeinschaft ist Trägerin von acht Forschungsmuseen in Deutschland und bekommt aus einem Sondertopf des Bundestages derzeit 10 Millionen Euro jährlich, um den Bestand dieser Häuser zu digitalisieren und neue Wege der Wissensvermittlung zu beschreiten.

„Forschungsmuseen nutzen die Chancen der Digitalisierung für Vermittlung und Sammlungserschließung und tragen so dazu bei, unser kulturelles Erbe für die Zukunft zu bewahren“, sagte Kleiner in dieser Woche bei einem Pressegespräch im Naturkundemuseum. Aber neben dem Erhalt gehe es auch um den Umgang mit dem kulturellen Erbe, etwa beim Thema Provenienzforschung.

Die Leibniz-Gemeinschaft ist Trägerin von acht Forschungsmuseen in Deutschland

Mit diesem Thema hat gerade die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Gestalt des neu entstehenden Humboldt-Forums in der Mitte Berlins verstärkt zu tun. „Durch die Vielstimmigkeit in der Forschung haben kulturhistorische Museen die Möglichkeit, auf die großen Fragen nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart Antworten zu finden“, meint Hermann Parzinger, der Präsident der Preußen-Stiftung. „Sie müssen sich aber der Gesellschaft öffnen und dialogbereit sein, wenn sie auch in Zukunft noch als wichtige Player bei aktuellen gesellschaftlichen Fragen angesehen, als Partner wahrgenommen und in die Diskurse eingebunden werden wollen.“

Der Umgang der heutigen Ethnologie mit den wissenschaftlichen Beutezügen der einstigen Völkerkunde ist anhaltender Streitpunkt mit entwicklungspolitischen Gruppen aus der Zivilgesellschaft und wird auch bis zur Forum-Eröffnung 2019 nicht abgeebbt sein.

Auf ihrem Berliner Gipfeltreffen wollen sich die Museen nicht nur über die heutige und zukünftige Ausrichtung ihrer Forschungs- und Ausstellungsarbeit austauschen, sondern auch über gesellschaftliche Veränderungsprozesse und „die Verantwortung, die Forschungsmuseen für die Zukunft der Erde übernehmen können“, wie es Johannes Vogel ausdrückt. Angesichts des dramatischen Artensterbens in der Pflanzen- und Tierwelt ist es ihm wichtig, nach dem Bildungsauftrag der Museen den nächsten, den politischen Schritt zu tun. Ziel müsse es sein, mit dem verbesserten Naturwissen auch ein verstärktes Engagement der Gesellschaft zum Schutz der Umwelt zu erreichen.

Wie dringlich diese Mission ist, vermittelt gerade auch die Sonderausstellung „Artefakte“ im Berliner Naturkundemuseum. Großformatige Luftaufnahmen etwa von erdölverseuchten Flüssen führen die katastrophalen Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur vor Augen. Aber neben der künstlerisch-ästhetischen Ansprache benennt die Ausstellung auch die Herausforderungen, die hinter den Bildern stecken – wie Wissenschaft und Politik Lösungen erarbeiten und welchen Beitrag auch jeder Einzelne dazu leisten kann. Ein Handlungsimpuls, den die Forschungsmuseen verstärkt geben wollen.

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