„Midterm“-Wahlen in den USA: Hoffnung auf die blaue Welle

Kann Donald Trump so unangefochten weiterregieren wie bisher? Genau darüber entscheiden bald die US-Amerikaner_innen.

Donald Trump spricht ins Mikro

An der Macht wird Trimp bleiben, aber sie könnte begrenzt werden Foto: reuters

BERLIN taz | Wenn die US-Amerikaner_innen am Dienstag über die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses, ein Drittel des Senats, 39 Gouveneure und unzählige kommunale Ämter abstimmen, dann steht dabei ein Name im Vordergrund der Debatte, der nicht auf dem Wahlzettel steht: Donald Trump.

Seit Monaten schon registrieren Forschungsinstitute wie das Pew Research Center ein für Midterm Elections, die Wahlen zur Halbzeit einer Präsidentschaft, ungewöhnlich hohes Interesse an Politik. Und: Diesmal geben rund drei Viertel der Wäh­­ler_innen in Umfragen an, dass sie die Frage umtreibt, welche Partei nach den Wahlen im Kongress die Mehrheit hat.

Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise sorgt das US-amerikanische Wahlsystem dafür, dass lokale oder regionale Themen die Wahl im Bundesstaat oder Distrikt entscheiden: Das Wahlsystem kennt keine Zweitstimme, sondern entsendet Direktkandidaten per Mehrheitswahlrecht in den Kongress.

Repräsentantenhaus

Alle 435 Sitze stehen zur Wahl, wie alle zwei Jahre. Derzeit halten die Republikaner dort eine Mehrheit von 235 zu 193 Sitzen über die Demokraten, bei 7 vakanten Sitzen.

Senat

Ebenfalls alle zwei Jahre wird ein Drittel der 100 Senatssitze auf sechs Jahre neu gewählt. Von den 33 zur Wahl anstehenden Sitzen werden 25 von Demokraten oder Unabhängigen gehalten, die sich der Demokratischen Fraktion angeschlossen haben, 8 sind Republikaner. Außerdem finden Senatsnachwahlen in zwei Bundesstaaten statt, nachdem der Demokrat Al Franken in Minnesota und der Republikaner Thad Cochran in Mississippi zurücktraten. Derzeit besteht der Senat aus 51 Republikanern, von denen 43 dieses Jahr nicht zur Wahl stehen, und 49 Demokraten bzw. Unabhängigen, von denen nur 24 nicht antreten müssen.

Gouverneure

39 Gouverneure aus 36 Bundesstaaten und 3 Überseeterritorien stehen zur Wahl. Von den insgesamt 50 US-Bundesstaaten werden derzeit 33 von Republikanern regiert – in 26 dieser Staaten wird am Dienstag gewählt. 16 Bundesstaaten haben demokratische Gouverneure, davon wird in 9 Staaten gewählt. Dazu kommt die Wahl in Alaska, das bislang von einem Unabhängigen regiert wurde, der allerdings nicht wieder antritt.

Wie sind die Prognosen?

Die meisten Wahlanalysten gehen davon aus, dass die Demokraten eine Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen können, der Senat aber in republikanischer Hand bleibt oder die Republikaner ihre Mehrheit dort sogar ausbauen können. Bei den Gou­verneuren rechnen sich die Demokraten gute Chancen aus, den Republikanern bis zu 8 Posten abjagen und damit künftig in 24 Bundesstaaten regieren zu können. (pkt)

Die Mehrheitsverhältnisse beschäftigen auch Trump: Seit seinem Amtsantritt kann er auf die republikanische Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses zählen; eine komfortable Position, die ihm etwa das Durchsetzen der sogenannten Steuerreform ermöglicht hat, die eine Umverteilung von unten nach oben bedeutet.

Es ist schon politische Tradition, dass die Partei eines neu gewählten Präsidenten in den ersten Midterm Elections stets Sitze in Senat und Repräsentantenhaus verliert. Einzige Ausnahme in den letzten Jahrzehnten waren die Midterms 2002 in der ersten Amtszeit von George W. Bush – aber das waren die ersten nationalen Wahlen nach den Terroranschlägen des 11. September 2001.

Kommt jetzt also die „blaue Welle“, von der die Demokraten träumen? Sie hoffen, zumindest das Repräsentantenhaus zurückerobern zu können. Sie sei sich inzwischen sicher: „Wir werden gewinnen“, sagt Fraktionschefin Nancy Pelosi. Die meisten Umfragen signalisieren Zugewinne von mindestens 20 Sitzen – das würde reichen, um die Mehrheitsverhältnisse knapp umzudrehen.

Im Senat müssten die Demokraten eigentlich nur zwei Sitze hinzugewinnen – es ist ein besonders unglücklicher Zufall, dass in diesem Jahr aufgrund des Sechs-Jahres-Turnus sehr viel mehr Demokraten um ihre Wiederwahl kämpfen müssen als Republikaner. So prognostizieren die meisten Wahlforscher eher das Gegenteil: einen leichten Ausbau der republikanischen Mehrheit.

Donald Trump hat sich in den Wahlkampf eingemischt wie nur wenige Präsidenten. Und er hat das auf genau jene Art gemacht, die schon 2016 von alten Polithasen belächelt worden war, Trump aber schließlich zum Erfolg geführt hatte: Großveranstaltungen in zig Bundesstaaten in den Wochen vor der Wahl.

Grafik: Infotext Berlin

Auch Expräsdent Barack Obama und sein früherer Vize Joe Biden sind auf Wahlkampftour gegangen: Aber während sie auf demokratischen Veranstaltungen vor einem Publikum zwischen 500 und 2.000 Personen sprechen, füllt Trump die ganz großen Multi-Arenen mit 18.000 begeisterten Fans und könnte oft ein Vielfaches an Tickets verkaufen.

Grafik: Infotext Berlin

Den Energieschub, den diese Veranstaltungen seinen Anhängern verschaffen, haben die Wahlforscher bis heute nicht präzise in ihre Analysen der Wahlkampfdynamik einspeisen können.

Die oft beschriebene Verrohung der Sprache einerseits und Polarisierung des Landes andererseits spiegelt sich auch im Wahlkampf wider. Während Trump keine Gelegenheit auslässt, immer und immer wieder vor lateinamerikanischen und eigentlich überhaupt allen Einwanderern zu warnen und Soldaten an die Grenze schicken, das Asylrecht abschaffen, „die Mauer bauen“ will und weiterhin die Medien als „Fake News“ und „Volksfeinde“ denunziert, haben sich auf demokratischer Seite in den Vorwahlen mehr linke Kandidat_innen durchgesetzt als je zuvor. Und: Mehr Frauen denn je bemühen sich um den Einzug in den Kongress.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die Demokraten hoffen darauf, Frauen, Linke, Liberale, Schwarze, Latinos und alle anderen Minderheiten gegen Trumps Republikaner an die Wahlurnen zu bringen.

Gelingt das, gewinnen sie die Wahl – aber sicher ist das nicht. Hoffnung gibt ihnen, dass sich – unüblich außerhalb von Präsidentschaftswahlen – sehr viele junge Leute erstmals haben registrieren lassen.

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