Urteil zu chinesischer Autorin Tianyi: Homoerotisches Buch als Haftgrund

Eine Autorin soll für zehn Jahre ins Gefängnis, weil sie „sexuelles Verhalten zwischen Männern“ beschrieben habe. Dagegen regt sich Widerstand.

Menschen stehen vor einem Bücheregal

Hier wird „Occupy“ wohl nicht erscheinen – eine Buchhandlung in China Foto: Corey Blaz/Unsplash

Pornografie ist in China verboten. Homosexualität eigentlich nicht. Doch wie sieht es mit Homoerotik aus? Ein Volksgericht in der ostchinesischen Provinz Anhui hat eine Autorin wegen der Veröffentlichung und Verbreitung eines homoerotischen Romans zu 10 Jahren Haft verurteilt. Ihr wird vorgeworfen, in ihrem 2017 erschienenen Roman „Occupy“ „obszönes sexuelles Verhalten zwischen Männern“ beschrieben zu haben.

Ihre Bücher sind unter dem Pseudonym Tianyi erschienen. Ihr echter Nachname lautet den Behörden zufolge Liu. Ansonsten ist nicht viel über sie bekannt. Sie dürfte eher der jungen Generation angehören. Unter dem Namen Tianyi postet sie auch viel in den sozialen Netzwerken. 7.000 Exemplare des Romans soll sie im Internet verkauft und damit 150.000 Yuan verdient haben, das entspricht knapp 19.000 Euro. Der Richter hatte das Urteil bereits Ende Oktober gefällt. Erst jetzt hat es breite Aufmerksamkeit erlangt.

Homoerotische Literatur im Eigenverlag erfreut sich in China großer Beliebtheit. Angeblich erscheinen Hunderte Titel im Monat. Einige dieser Romane sind verfilmt und ausgestrahlt worden. Oft werden darin die homosexuellen Beziehungen nur angedeutet. Nicht so bei Tianyi: Sie hat den sexuellen Akt zwischen zwei Männern explizit beschrieben.

In den sozialen Netzwerken ist eine lebhafte Debatte entbrannt, inwiefern das Gericht schwulenfeindlich geurteilt hat. Denn andere Romane mit sehr viel schlüpfrigeren Inhalten sind in China nicht verboten. Beschrieben wird darin allerdings Sex zwischen Mann und Frau.

Gleichgeschlechtliche Liebe seit 1997 entkriminalisiert

„10 Jahre Haft für einen Roman? Das ist völlig überzogen“, kritisiert ein Nutzer auf dem chinesischen Twitter-Pendant Weibo. Ein anderer bezieht sich auf einen Fall von 2013. Ein Beamter hatte ein vierjähriges Mädchen vergewaltigt und wurde deswegen zu 8 Jahren Haft verurteilt. „Für eine Vergewaltigung gibt es 8 Jahre Gefängnis, für die reine Beschreibung 10“ – das sei absurd, so der Weibo-Nutzer.

Offiziell ist in China gleichgeschlechtliche Liebe seit 1997 entkriminalisiert. Seit 2001 steht Homosexualität auch nicht mehr auf der Liste der Geisteskrankheiten. Umfragen in Metropolen zufolge hat eine Mehrheit auch nichts gegen Schwule und Lesben – solange niemand in der eigenen Familie homosexuell lebt. Das hat zur Folge, dass die meisten Homosexuellen ihre sexuelle Orientierung vertuschen. Über 90 Prozent der Lesben und Schwulen mittleren Alters leben angeblich in einer heterosexuellen Ehe.

Der Name Tianyi ist übrigens einem berühmten Eunuchen des kaiserlichen Hofes aus dem 14. Jahrhundert entlehnt. Unter den vielen Eunuchen im Hofstaat galt er als Liebling des Kaisers Wanli. Als Tianyi starb, verhängte der Herrscher eine dreitägige Staatstrauer und ließ ihm eine Grabstätte errichten, die der eigenen in nichts nachstand. Angeblich hatten sie ein sexuelles Verhältnis.

Aber das detailliert zu thematisieren, könnte einem im modernen China 10 Jahre Haft bescheren.

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