Bundesverfassungsgericht:
Nachfolger von Voßkuhle

Ein Wirtschaftsanwalt und CDU-Politiker soll das Gericht repräsentieren. Noch im November wird gewählt

Von Christian Rath

Der CDU-Abgeordnete Stephan Harbarth soll neuer Verfassungsrichter und in zwei Jahren neuer Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden. Dar­auf haben sich nach übereinstimmenden Medienberichten die Fraktionsspitzen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen geeinigt. Harbarth gilt als konservativ.

Das Bundesverfassungsgericht definiert, wie das Grundgesetz auszulegen ist und sorgt dafür, dass diese Vorgaben eingehalten werden. Es ist das Verfassungsorgan, dem die Deutschen am meisten vertrauen. Dass nun ein ausgewiesener Parteipolitiker Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden soll, könnte zu Diskussionen führen.

Harbarth stammt aus Heidelberg und ist Wirtschaftsanwalt. Seine Kanzlei SZA vertritt zum Beispiel VW in der Diesel-Affäre. Seit 2009 ist er Bundestagsabgeordneter, hat aber nebenher immer auch als Anwalt gearbeitet. Dabei muss er seine Einkünfte zwar nicht exakt offenlegen, sie liegen jedoch über 250.000 Euro pro Jahr. Als Verfassungsrichter wird er wohl erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen.

Künftig wird Harbarth dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts angehören. Dieser Senat ist auch für Datenschutz zuständig und hat schon zahlreiche Sicherheitsgesetze korrigiert, etwa zur Rasterfahndung und zur Vorratsdatenspeicherung. Harbarth ist Befürworter der Vorratsdatenspeicherung und sagte etwa im April diesen Jahres: „Wir brauchen dringend funktionierende und rechtlich umsetzbare Speicherfristen, damit wir Kinderschändern das Handwerk legen können.“

Die Wahl von Harbarth wird die stabile linksliberale Mehrheit am Ersten Senat nicht verändern. Dem Senat gehören neben drei von der SPD vorgeschlagenen Richtern auch die RechtsprofessorInnen Susanne Baer (von den Grünen nominiert) und Andreas Paulus (FDP-Vorschlag) an. Harbarth kann als Senatsvorsitzender entweder Minderheitsvoten schreiben oder sich wie seine Vorgänger Ferdinand Kirchhof und Hans-Jürgen Papier auf die bürgerrechtlich orientierte Grundlinie einlassen.

Präsident ab 2020

Turnusgemäß dürfte Harbarth 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden, wenn der jetzige Präsident Andreas Voßkuhle (von der SPD nominiert) nach zwölfjähriger Amtszeit ausscheidet. Harbarth, der 46 Jahre alt ist, kann dann noch zehn Jahre das Gericht in der Öffentlichkeit repräsentieren.

Er folgt auf Ferdinand Kirchhof, dessen Amtszeit schon Ende Juni abgelaufen war. Doch die Parteien konnten sich nicht auf einen Nachfolger einigen.

VerfassungsrichterInnen werden im Bundestag oder im Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Harbarths Wahl wird in der Sitzungswoche ab 19. November im Bundestag erfolgen. Weil CDU/CSU und SPD auch gemeinsam nicht mehr über die Zweidrittelmehrheit verfügen, musste auch die FDP ins Boot geholt werden.

Voraussichtlich am 22. November wird Harbarth zudem im Bundesrat zum Senatsvorsitzenden und Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Da die Grünen derzeit an neun Landesregierungen beteiligt sind und somit in der Länderkammer eine Veto-Position innehaben, mussten auch sie der Personalie Harbarth vorab zustimmen. Die Amtszeit Harbarths beginnt dann, sobald ihm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde überreicht hat.