Linkes Kulturzentrum Hasi in Halle: Räumung steht kurz bevor

Seit Monaten kämpft das Hasi um seine Zukunft. Am Mittwoch rückt die Polizei an. Das Kulturzentrum soll Platz für Eigentumswohnungen machen.

Das Hasi-Kulturzentrum, eine einstöckige Gründerzeitvilla, mit Transparenten behängt. Es herrscht schlechtes Wetter

In Halle stehen ungemütliche Tage bevor: das Hasi-Kulturzentrum in der Hafenstraße Foto: dpa

LEIPZIG taz | Der unheilvolle Termin ist für 16 Uhr angesetzt. Nach monatelanger Unsicherheit steht dem linken Kulturzentrum Hasi in Halle an der Saale am Mittwoch offenbar endgültig die Räumung bevor. Die Gerichtsvollzieherin soll bei der Vollstreckung von der Polizei unterstützt werden, denn die AktivistInnen haben zum Widerstand gegen die Räumung aufgerufen. „Ihr könnt uns aus dem Haus mit der ach so hässlichen Fassade rausschmeißen, ihr könnt uns rausprügeln und raustragen – doch brechen werdet ihr uns damit nicht“ heißt es kampfbereit auf dem Blog der Hasi. Und weiter: „Es wird nicht leise bleiben, wenn versucht wird, die Hasi zu räumen.“

Es klingt, als stünden ungemütliche Tage in Halle bevor – für mindestens eine der beiden Seiten. Bei zwei Grad Außentemperatur sind mehrere Aktionen und Informationsstellen geplant, eine Karte verzeichnet die Orte: Ab 12 Uhr soll es eine Kundgebung direkt vor der Salineinsel geben, auf der die Hasi liegt – direkt auf der Insel wurde sie nicht erlaubt.

Um 13 Uhr ist in der Nähe des Marktplatzes eine weitere Kundgebung geplant, dort soll um 14 Uhr auch eine Petition für den Erhalt der Hasi mit bisher über 4.000 Unterschriften dem Stadtrat übergeben werden, bevor dann wahrscheinlich um 16 Uhr die Räumung in der Hafenstraße beginnt. Am Donnerstag soll es eine Demo gehen, die bisher allerdings noch nicht angemeldet ist. Am Wochenende muss mit stadtweiten Besetzungsaktionen in leeren Häusern gerechnet werden.

Fast drei Jahre ist es nun her, dass linke AktivistInnen um die Initiative „Wir brauchen Platz“ das leerstehende Haus in der Hafenstraße 7, der die Hasi ihren Namen verdankt, besetzten und darin ein kulturelles Zentrum aufbauten. Sie organisierten Elterncafés, Selbstverteidigungskurse, richteten eine Nähwerkstatt und einen Bandproberaum ein.

Der Landesinnenminister unterstellt Gewaltabsicht

Viele sehen in dem Hausprojekt ein wichtiges Gegengewicht zur neurechten Identitären Bewegung, die noch näher am Campus ein Haus gekauft hat und unter den Studierenden kräftig zu rekrutieren versucht. Das macht die Räumung noch brisanter: Während die Hasi sich nicht halten kann, haben die Identitären ihr Haus sicher. Zudem machen AfD wie Christdemokraten Stimmung gegen die linken Hausbesetzer: Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hatte behauptet, in der „linksextremen“ Hasi würden „Pläne geschmiedet, wo man das nächste Trafohäuschen sprengen kann“. Beweise beibt er schuldig.

Das Hasi-Haus hatte vor seiner Besetzung leer gestanden, in bester Gegend, nur zehn Gehminuten von der Uni entfernt. Ein Grund dafür könnte neben dem Denkmalschutz, der eine kostspielige Sanierung erwarten lässt, auch die Bodenverseuchung sein, die einen Teil des Grundstücks, auf dem sich früher eine Gasanstalt befand, bis heute angeblich unbrauchbar macht.

Doch das finanzielle Interesse an Immobilien in Halle ist groß, in den vergangenen fünf Jahren sind dort die Mietpreise um ein Viertel gestiegen. Als die Initiative das Haus besetzte, gab die städtische Eigentümerin, die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG), dem Hasi-Trägerverein Capuze zunächst ein befristetes Nutzungsrecht, unter der Bedingung, dass die Initiative das Grundstück und das Haus aufräume und nur für kulturelle Veranstaltungen nutze.

Doch die wohlwollende Verhandlungsbasis, auf die sich HWG und die BesetzerInnen anfangs einigten, ist nun schon lange vorbei. Einmal verlängerte die Gesellschaft noch den Nutzungsvertrag, von September 2017 bis Ende Januar 2018. Seither weigern die AktivistInnen sich, das von ihnen selbst aufgebaute Kulturzentrum zu räumen. Sehr zum Ärger der HWG: Mehrfach erstattete die Eigentümerin Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und siegte schlussendlich im Oktober vor Gericht – der Räumungstermin war jetzt nur noch eine Frage der Zeit.

Der Hauskauf durch die Stadt scheiterte an der SPD

Dabei wäre eine legale Weiternutzung möglich gewesen, hätte die Stadt das Gebäude angemietet. Doch im Stadtrat, der in Halle eigentlich über eine linke Mehrheit verfügt, scheiterten alle Rettungsversuche letztlich am Widerstand der SPD. Bei einer Abstimmung im vergangenen Jahr hieß es aus der Partei, Kauf und Sanierung seien zu teuer und die Schadstoffbelastung zu hoch. Ein Vorwand, sagen die Hasi-AktivistInnen, schließlich gibt es von der HWG auch Pläne, dort Wohnungen zu bauen.

Noch vergangenen Mittwoch hatte der rot-rot-grüne OB-Kandidat der Linken, Hendrik Lange, versucht, eine Abstimmung zur Rettung der Hasi zu erreichen. Doch der Versuch scheiterte nach Medienberichten offenbar erneut an der mangelnden Bereitschaft der Sozialdemokraten. Auf Anfrage erklärte ein Mitarbeiter der SPD-Fraktion, man habe den Berichten und einer gemeinsamen Pressemitteilung über die gescheiterte Rettung nichts hinzuzufügen.

Bernd Wiegand, OB von Halle

„Die Stadt duldet keine rechtsfreien Räume und wird alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, geltendes Recht umzusetzen“

Anfang der Woche stellte sich auch der parteilose Oberbürgermeister der Stadt Halle, Bernd Wiegand, öffentlich gegen das Projekt: „Die Stadt duldet keine rechtsfreien Räume und wird alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, geltendes Recht umzusetzen“, kündigte er an.

Man habe dem Verein Capuze mehrere Ausweichgrundstücke angeboten, heißt es als Begründung. Hasi-Sprecher Micha hält dagegen: „Wir haben immer gesagt, dass wir im Gespräch für Ausweichobjekte bleiben, wenn die Objekte nicht am Stadtrand liegen und unsere Projekte mit umziehen können. Das war bei den fünf angebotenen Objekten nicht der Fall, teils waren dort auch schon Projekte drin.“ Mit anderen möglichen Ausweichobjekten, die es noch nicht gebe, lasse man sich nicht abspeisen.

Aufruf zu Leerstandsbesetzungen

Sollte die Hasi tatsächlich am Mittwochnachmittag geräumt werden, hat die Internationalistische Linke in Halle für das kommende Wochenende zu Besetzungsaktionen in leerstehenden Gebäuden der Stadt aufgerufen. Halle verliere einen Raum, „in dem sich Menschen ohne eine dahinterstehende Verwertungslogik organisieren und verwirklichen können“, so das Bündnis. Das Verhalten des Stadtrats und der kommunalen Wohnungsunternehmen zeige, dass eine soziale, selbstverwaltete und inklusive Stadt nicht von allein entstehe, sondern erst erkämpft werden müsse. „Wir rufen dazu auf, sich Leerstand zu nehmen und diesen zu nutzen.“ Fast jedes zehnte Haus in Halle steht derzeit leer.

Derweil hat die HWG am Dienstag, einen Tag vor der Räumung, ihren Nutzungsplan für die Hafenstraße 7 bekanntgegeben: Dort soll eine „attraktive, innerstädtische Fläche“ entstehen, wo „vorrangig Hallenserinnen und Hallenser mit Kindern und mittleren Haushaltseinkommen die Möglichkeit erhalten, Wohneigentum zu bilden. Die Planungen hierfür sind bereits vorangeschritten.“ Es sollen also Eigentumswohnungen werden. Weitere Untersuchungen seien jedoch erst sinnvoll, wenn die HWG Planungssicherheit zum weiteren Umgang mit dem Grundstück habe. Grundvoraussetzung für diese Pläne natürlich: die Räumung der Hasi.

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