Schulen bauen mit der Howoge: Schlussstrich unter Schulbau-Streit

Das Abgeordnetenhaus beschließt, wie Berlin zukünftig Sanierung und Neubau seiner Schulen organisiert. Was wird da entschieden? Ein Faktencheck.

Die Chef-ArchitektInnen der Schulbauoffensive: Bildungssenatorin Scheeres und Finanzsenator Kollatz Foto: picture alliance / Gregor Fischer/dpa

Am Donnerstag will die rot-rot-grüne Koalition im Abgeordnetenhaus beschließen, wie das Land Berlin in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Sanierung und den Neubau seiner Schulen organisiert. Geht die Beschlussempfehlung an die Abgeordneten glatt durch – und alles andere wäre eine Überraschung –, setzt das Parlament damit einen Schlusspunkt unter die öffentliche Debatte über ein Thema, das monatelang für Zündstoff sorgte. Vor allem die privatisierungskritische Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand hatte gegen die Senatspläne, die Wohnungsbaugesellschaft Howoge am Schulbau zu beteiligen, auf breiter Ebene mobilisiert. Aus ihrer Sicht gibt das Land sein Eigentum, die Schulen, aus der Hand. Aber stimmt das – und was genau beschließt das Parlament da jetzt eigentlich? Ein ausführlicher Faktencheck.

Was genau soll die Howoge jetzt tun?

Die landeseigenen Wohnungsbauer sollen dem Land helfen, die rund 5,5 Milliarden Euro zu verbauen, die Rot-Rot-Grün für seine „Schulbauoffensive“ in den nächsten Jahren ausgeben will. Es ist das größte und wichtigste Infrastrukturvorhaben des Landes, rund 85.000 Schulplätze müssen bis 2025 geschaffen werden. Viele Schulen sind wegen jahrelanger Sparmaßnahmen der Vorgängerregierungen Sanierungsfälle.

Die Howoge soll nun Sanierungen für über 10 Millionen Euro und den Neubau von Sekundarschulen und Gymnasien realisieren und dafür 1,7 Millionen Euro zinsgünstige Darlehen aufnehmen können; etwa 4 Milliarden will das Land selbst beisteuern. Im Antrag der Regierungsfraktionen, der am Donnerstag beschlossen werden soll, heißt es zur Kooperation mit der Ho­woge: „Das Ziel ist, dadurch zusätzliche finanzielle, bauliche und planerische Ressourcen für die Berliner Schulbauoffensive zu mobilisieren.“

Welche „Ressourcen“ sollen das konkret sein?

Bisher hat die Howoge vor allem eine eigene Planungsabteilung für den Schulbau aufgebaut: 15 MitarbeiterInnen seien dafür bereits „an Bord“, sagte Geschäftsführerin Stefanie Frensch bei einer Anhörung im Hauptausschuss Anfang November. Diese Anhörung vor den Abgeordneten hatte die Bürgerinitiative erstritten: Sie hatte im Sommer im Rahmen einer Volksinitiative „Unsere Schulen“ 30.000 Unterschriften gesammelt.

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) konterte bei der Anhörung Kritik, es gehe nicht recht voran mit der Umsetzung der 2016 beschlossenen Pläne: „Wir sind ungefähr im Zeitplan. Ich habe damals gesagt: Es braucht zwei Jahre, um die ­Strukturen aufzubauen. Die haben wir jetzt.“

Würde die Howoge nicht mitplanen, könnte ein großer Teil der Neubauvorhaben erst wesentlich später umgesetzt werden, argumentiert Kollatz’ Verwaltung. Derzeit sind die ersten Spatenstiche der Howoge-Schulen für 2020 geplant.

Die Initiative hält dagegen: Warum nicht einfach schnell mehr Stellen in der Verwaltung aufbauen? Geld hat das Land inzwischen schließlich genug. Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst seien eine langwierige Sache, damit verlangsame man eher, argumentiert wiederum der Finanzsenator.

Durch die Kooperation mit der Howoge GmbH würden die Schulen privatisiert, sagt die Initiative. Was meint sie damit?

Die Howoge bekommt für die Dauer der Kreditlaufzeiten – angepeilt sind 37 Jahre – das Erbbaurecht an den Schulgrundstücken. Die Bezirke zahlen eine Miete an die Howoge, die dafür die Schulen saniert bzw. baut und mit den Mietzahlungen die Kredite bedient. Mit dem Erbbaurecht gebe das Land das Eigentum an den Schulen an die privatrechtlich organisierte Howoge. Die könne nun ihr Eigentum, die Schulen, natürlich auch weiterveräußern – zum Beispiel im Insolvenzfall. Oder auch Hypotheken auf die Grundstücke aufnehmen, als Sicherheit für Kredite. Kurz: „Die Schulen werden zu handel­baren Finanzprodukten“, sagt die Initiative.

Was sagt Rot-Rot-Grün dazu?

„Die Bezirke bleiben Schulträger und werden finanziell und personell gestärkt“, heißt es in der Beschlussempfehlung ans Parlament. Tatsächlich wird festgelegt, dass das Erbbaurecht nicht „an Dritte“ fallen darf – es sei denn, das Parlament stimmt zu. Im Klartext: Das Land müsste seine Schulen schon selbst verkaufen (was es im Übrigen auch jetzt schon könnte). Zu der Hypothekenfrage: Eine „Belastung des Erbbaurechts als Kreditsicherheit“ soll laut Beschlussantrag nicht stattfinden dürfen. Somit gingen die Grundstücke „belastungsfrei an das Land, also in das Fachvermögen der Bezirke, zurück“.

Mit der Kreditaufnahme durch die Howoge mache das Land „unüberschaubare Schattenhaushalte“ auf, wie auch die CDU kritisiert.

Das kann man so sehen, weil die Howoge ein landeseigenes Unternehmen ist und die Kredite also der Haushaltsbilanz zugeschlagen werden. Finanzsenator Kollatz argumentiert, mithilfe der Darlehen könne man die 2020 auch für Berlin greifende Schuldenbremse umgehen – und nur so die nötigen Mittel für die Schulbauoffensive langfristig sicherstellen.

Die Grünen hatten auf ihrem Landesparteitag Ende November beschlossen, dass es im Ideal­fall besser ohne Darlehen gehen sollte. Wackeln die Schulbaupläne jetzt doch?

Nein, versichert Fraktionschefin Silke Gebel: Grundsätzlich sei es zwar ein Ideal der Grünen, alles aus Haushaltsmitteln zu finanzieren und grundsätzlich sehe man dieses parallele Wirtschaften kritisch. „Aber wir finden es angesichts des massiven Sanierungsstaus völlig okay, wenn man den Schulbau jetzt teilweise über Kredit finanziert“, sagt Gebel. Sie begrüße es, dass der Nachtragshaushalt für 2019, den das Parlament am 13. Dezember beschließen soll, nun eine Eigenkapitalaufstockung der Howoge von 300 Millionen Euro vorsieht. Denn je mehr Eigenkapital, desto günstiger die Kreditkonditionen.

Eins dürfte inzwischen aber allen klar sein: Die in der Vergangenheit versäumten Investitionen in die Schulen werden jetzt und in Zukunft teuer, so oder so.

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