49 Geflüchtete im Mittelmeer gerettet: Hängengelassen auf hoher See

Zwei Schiffe mit deutscher Besatzung retten Geflüchtete im Mittelmeer – finden bisher aber keinen sicheren Hafen. Und die Bundesregierung mauert.

Die Sea Watch auf hoher See

Menschen retten ist das eine – irgendwo anlegen zu dürfen, das andere Foto: dpa

BERLIN taz | Es waren dramatische Rettungseinsätze, mal wieder. Vor neun Tagen schon rettete die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch 32 Geflüchtete aus dem Mittelmeer. Am Samstag nun nahm auch das Schiff des Regensburger Hilfsvereins Sea-Eye nach eigenen Angaben 17 Menschen auf. Beide Boote dümpeln seitdem im Meer – weil ihnen bisher alle Häfen die Einfahrt verweigern. Und auch die Bundesregierung mauert.

Von einer „Farce“ spricht Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer am Sonntag. „Wir brauchen zwingend eine Lösung noch bis zum Jahresende“, sagte er der taz. Das Sea-Watch-Schiff befinde sich momentan südlich von Malta. Unter den Geretteten seien vier Frauen, drei Minderjährige, zwei Kleinkinder und ein Baby. Weihnachten mussten diese bereits mit der Crew an Bord feiern. Die Ungeduld der Geflüchteten steige, so Neugebauer. Auch die Essensvorräte gingen zur Neige. Und für die kommenden Tage seien Stürme vorhergesagt. „Wir brauchen dringend einen Hafen.“

Mehrere deutsche Städte und Länder erklärten sich inzwischen bereit, die Geretteten aufzunehmen – zuletzt am Sonntag Schleswig-Holstein. „Wir werden unserer gesamtstaatlichen Verantwortung selbstverständlich gerecht werden“, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) der taz zum Fall der beiden Schiffe. Auch Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte, man habe dem Bundesinnenministerium die Bereitschaft erklärt, aus humanitären Gründen einen Teil der Geflüchteten aufzunehmen.

Die Bundesregierung indes zögert. Man setze sich für eine „rasche Lösung“ ein, sagte am Sonntag ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Diese müsse allerdings „im Rahmen der gemeinsamen europäischen Verantwortung und Solidarität“ gefunden werden. Es brauche eine „ausgewogene Verteilung der Geretteten auf verschiedene EU-Mitgliedstaaten“, so der Sprecher. Deutschland habe sich bereiterklärt, seinen Beitrag zu leisten.

Schon zuvor hatte das Ministerium darauf verwiesen, dass in diesem Jahr bereits 115 aus Seenot Gerettete in Deutschland aufgenommen wurden. Auch aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die Aufnahme der Geflüchteten sei „eine Frage der gemeinsamen europäischen Verantwortung“. Hierzu stehe man in Abstimmung mit europäischen Partnern.

Ruben Neugebauer

„Wir brauchen dringend einen Hafen“

Sea-Watch-Sprecher Neugebauer nennt die Argumentation „absurd“. Länder wie Italien und Spanien hätten weit mehr Gerettete aus dem Mittelmeer aufgenommen als Deutschland. „Und hierzulande gibt es so viele Orte, die für eine Aufnahme bereitstehen. Es ist völlig unverständlich, warum sich das Innenministerium so querstellt.“ Neugebauer kritisierte auch die EU: Dort müsse man endlich eine Lösung finden, damit sich solche „politischen Schwebezustände“ nicht ständig wiederholten. Die derzeitige Abweisung der Verantwortung sei ein „Akt der Unmenschlichkeit“.

Auch die Crew der Sea-Eye, die auf dem früheren Forschungsschiff „Professor Albrecht Penck“ unter deutscher Flagge fährt, appellierte an die Bundesregierung. „Wir setzen auf die Unterstützung des Auswärtigen Amtes“, erklärte Sprecher Gorden Isler. Die 17 Geborgenen, darunter zwei in „kritischem Zustand“, habe man von einem überladenen Fischerboot gerettet. Die Afrikaner hätten von Folter, Menschenhandel und willkürlicher Gewalt berichtet.

Eine Aufforderung der Seenotleitstellen in Rom und Bremen, die Geretteten der libyschen Navy Coast Guard zu übergeben, habe man „klar abgelehnt“, so Missionsleiter Jan Ribbeck. Dies wäre ein Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention gewesen. Nötig sei nun ein Ort, an dem den Aufgenommenen keine weiteren Repressalien drohten und sie ein Obdach erhielten.

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