An die letzten Stunden von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erinnern heute Gedenktafeln. Uwe Hiksch bietet Führungen auf den Spuren der beiden Ermordeten an.
Ihn verbindet vor allem ihr Antimilitarismus mit Liebknecht und Luxemburg

Von Volkan Ağar

Das letzte Haus, das Liebknecht und Luxemburg betreten haben, heißt Eden. Das Hotel steht schon lange nicht mehr. Im Zweiten Weltkrieg wurde es teilweise zerstört, in den fünfziger Jahren abgerissen. Nur eine Gedenktafel, eingeweiht 2010 vor dem Zooeingang an der Budapester Straße, erinnert daran, dass Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 hierher verschleppt wurden.

Mitglieder der Wilmersdorfer Bürgerwehr hatten sie in der Wohnung der befreundeten Familie Marcusson in der Mannheimer Straße 43 aufgespürt, wo sie sich am 14. Januar versteckt hatten. Zuerst ging es in die Cecilienschule, Zentrale der Bürgerwehr. Dann in jenes Hotel Eden, in dessen edler Bar sonst Schriftsteller wie Heinrich Mann und Schauspieler wie Marlene Dietrich verkehrten. 1919 hatte die Garde-Kavallerie-Schützen-Division unter ihrem Hauptmann Waldemar Pabst hier ihr Hauptquartier eingerichtet.

Einer, der selbst gedenkt und aktiv Gedenken ermöglicht, heißt Uwe Hiksch. Über das Hotel Eden sagt er: „Das war ein ganz normales, teures Hotel, mit einem Minigolfplatz auf dem Dach.“ Hiksch sitzt im Bundesvorstand der Naturfreunde, einer Organisation mit Wurzeln in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts. Für acht Jahre saß er auch im Bundestag, zunächst für die SPD. Nachdem die Sozialdemokratern einem deutschen Engagement im Kosovokrieg zugestimmt hatten, trat er aber aus der Partei aus. Heute arbeitet er für die Linksfraktion. Seit 1993 führt er durch Berlin – auf Stadttouren über Gentrifizierung, jüdisches Leben oder eben durch die letzten Stunden von Liebknecht und Luxemburg.

Schon 1917 hatten die Kriegsgegner in der SPD mit der USPD eine eigene Partei gegründet, der sich auch die Spartakusgruppe um Luxemburg und Liebknecht anschloss. Nach der Novemberrevolution 1918 wollte die verbliebene SPD um Friedrich Ebert schnell zu „geordneten Verhältnissen“ zurückkehren, während die USPD das Militär weiter entmachten und die Ziele der Rätebewegung umsetzen wollte. Während die Revolutionären Obleute, die USPD und die frisch gegründete KPD zu Generalstreiks aufriefen, zogen Ebert und Noske die rechtsradikalen Freikorps sowie verbliebene kaiserliche Regimenter um Berlin zusammen.

Mit der Absetzung des USPD-Polizeichefs durch Ebert am 4. Januar 1919 begann der Januaraufstand. Die Kämpfe dauerten bis zum 12. Januar, am 13. ließ Gustav Noske die rechtsradikalen Freikorps einmarschieren. Die Morde an Luxemburg und Liebknecht waren Teil des Gewaltexzesses dieser Truppen, die alles Aufständische niederschlugen. (mgu)

Am Abend des 15. Januar 1919 wurden im Hotel Eden erst Liebknecht, dann Luxemburg dem Freikorps-Hauptmann Pabst vorgeführt. Klaus Gietinger (siehe Interview) rekonstruiert in seinem Buch „Eine Leiche im Landwehrkanal“ beide Morde. Er beschreibt Szenen, die eine Idee vom Hass geben, dem sich Luxemburg und Liebknecht im Hotel Eden ausgesetzt sahen. Als Luxemburg „umgeben von geifernden Hotelgästen und Uniformierten“ in das Hotel gebracht wurde, habe man sie „als Hure beschimpft“, schreibt Gietinger. Und zu Liebknecht, der nach der Vernehmung zum Ort seiner Hinrichtung gebracht wird: „Unter Beschimpfungen und bespuckt von Hotelgästen und Uniformierten führten sie Liebknecht die Treppe hinunter zum Nebenausgang des Hotels.“

Liebknecht wurde erst im Tiergarten erschossen. Rosa Luxemburg bereits im Automobil, mit dem sie zum Landwehrkanal gefahren wurde. Auf dem Weg zu diesem heutigen Denkmalort spielen auf der Budapester Straße zwei Frauen eine historische Szene nach. Eine hat Zeitungen in der Hand, die andere eine rote Fahne. Auf einem Baumstamm klebt ein Plakat von Karl Liebknecht, darauf steht: „Hinein in die KPD!“. Eine dritte Frau filmt die beiden und einen Uniformierten.

Dort, wo sie in den Kanal geworfen worden sein soll – Hiksch zeigt auf einen längeren Uferabschnitt und sagt relativierend „irgendwo hier“ –, ragt heute eine quasi ins Wasser stürzende Gusseisenplatte mit dem Schriftzug ihres Namens. Gegenüber von dem Denkmal der Künstler Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte, das 1987 angebracht wurde, hängt eine Gedenktafel: „Im Kampf gegen Unterdrückung, Militarismus und Krieg starb die überzeugte Sozia­listin Rosa Luxemburg.“

Hiksch findet es bemerkenswert, dass Begriffe wie „Sozialistin“ auf dieser Tafel stehen. Schließlich sei das Denkmal 1987 von einem Westberliner Bezirk genehmigt worden. Wenn Hiksch mal wieder mit einer Gruppe Interessierter hier ist, geht er auf Luxemburgs theoretisches Denken ein, erzählt Anek­doten, wie zum Beispiel, dass Luxemburg das Parlament einmal als „Quasselbude“ bezeichnet habe – weil ein Parlament, das nicht auch über die Wirtschaft entscheide, nicht wirkmächtig sei.

Auf dem Weg zum heutigen Denkmalort spielen auf der Budapester Straße zwei Frauen eine historische Szene nach. Eine hat Zeitungen in der Hand, die andere eine rote Fahne. An einem Baum klebt ein Plakat von Karl Liebknecht, darauf steht: „Hinein in die KPD!“

Über dem Luxemburg-Denkmal führt die Lichtensteinbrücke weiter in den Tiergarten. Manche haben sich bemüht, auch diese grüne Brücke nach Luxemburg zu benennen. 2012 hat es die Berliner Geschichtswerkstatt geschafft, zumindest einen Teil nach ihr zu benennen. Jetzt gibt es einen Rosa-Luxemburg-Steg. Wenige hundert Meter entfernt, am Nordufer des Neuen Sees, wurde Liebknecht erschossen. Auf einer Wiese unter grauem Januarhimmel und vor einem dunklen Teich steht eine Säule aus rotem Backstein. An der Spitze bilden fehlende Steine Stufen. Hiksch sagt, dass die unterbrochene Säule für das unterbrochene Leben Liebknechts stehe.

An beiden Denkmälern liest Hiksch immer auch einen Auszug aus den letzten Texten der beiden vor. „Trotz alledem!“ von Karl Liebknecht erschien am Tag seines Todes in der Roten Fahne, „Die Ordnung herrscht in Berlin“ von Luxemburg am Tag zuvor in derselben Publikation. Luxemburgs Text über die gescheiterte Revolution endet so: „‚Ordnung herrscht in Berlin!‘ Ihr stumpfen Schergen! Eure ‚Ordnung‘ ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon ‚rasselnd wieder in die Höh’ richten‘ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!“