Debatte Kapitalismuskritik: Gold-Steak verpflichtet

Empörung über Protz-Promis wird oft als Neid abgetan. Dabei braucht Kapitalismuskritik definitiv die Kritik an dekadentem Konsum.

Franck Ribéry gestikuliert

Warum hat ihn nur niemand aufgehalten? Hitzkopf Franck Ribéry Foto: Reuters

Bayern-Kicker Franck Ribéry isst gerne vergoldete Steaks, SPD-Politikerin Sawsan Chebli trägt gerne Rolex und die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht trägt gerne Pelzkragen. Dekadent? Durchaus. Kritisierbar? Auf gar keinen Fall. Noch nicht einmal, wenn sie sich auf Video aufnehmen und hochladen lassen. Das ist zumindest der Tenor von Kommentaren verschiedener Medien, ob nun der taz oder der Bild. Nur: Warum ist Protz nicht kritisierbar?

Es gibt inzwischen eine feste Formel für Shitstorms über den ausschweifenden Lebensstil bestimmter Menschen: Promi leistet sich irgendwas, was sich fast niemand leisten kann. Das landet auf Social Media, oft vom Promi selbst hochgeladen. Menschen kritisieren das und das kritisierte Verhalten wird viral. Daraufhin kritisieren andere Menschen die Kritik an den Promis. Sie können doch mit ihrem Geld machen, was sie wollen, und Deutschland sei ein Land voller Neider. Einfach, aber zu einfach.

Natürlich ist Konsumkritik nicht immer richtig: Auf der einen Seite kann sie schnell diskriminieren und die ökonomischen Verhältnisse ignorieren, in denen Menschen leben. Wer von allen Menschen fordert, sie sollen nur vegan essen, beim Biobauern einkaufen und ausschließlich Fair-Trade tragen, hat gute Absichten.

Angebot und Nachfrage war mal

Doch er vergisst, dass sich viele Menschen diese moralische Überlegenheit finanziell nicht leisten können. Ob nun der Student, der sein Bafög verspätet bekommt und einen Aushilfsjob zwischen die Vorlesungen quetschen muss, die Schichtarbeiterin, die ihre Familie ernähren muss, oder der alleinerziehende Vater von zwei Kindern.

Dass unser Kaufverhalten und damit Angebot und Nachfrage aka die unsichtbare Hand des Marktes im heutigen Kapitalismus nicht mehr überall greift, wird nebenher auch ausgeblendet.

Wie soll man das Wirtschaftssystem ändern, wenn man dekadenten Konsum nicht kritisieren darf?

So produziert Deutschland immer mehr Fleisch, obwohl der Konsum sinkt. Das überschüssige Fleisch wird durch undurchsichtige und diktierte Freihandelsabkommen in andere Länder exportiert: unser Geflügel nach Afrika etwa oder unser Schwein nach China. Im Endeffekt bedeutet das, dass der Einzelne durch sein Kaufverhalten nicht mehr den Markt lenken kann. Zumindest in diesem Wirtschaftssystem.

Deswegen nimmt das wohlhabende Menschen oder Menschen mit Vorbildfunktion aber nicht aus der Verantwortung. Denn wie soll man das Wirtschaftssystem ändern, wenn man dekadenten Konsum nicht kritisieren darf?

Ökonomischer Aufstieg als Freifahrtschein

So auch Sawsan Chebli. Die Berliner Staatssekretärin hat auf einem Foto mit einer Rolex am Handgelenk posiert, die neu knapp 7.000 Euro kostet. Ausgerechnet als SPD-Politikerin. Dafür wurde sie so heftig kritisiert, dass sie sogar ihren Facebook-Account gelöscht und ein Statement getwittert hat: „Wer von Euch Hatern hat mit 12 Geschwistern in 2 Zimmern gewohnt, auf dem Boden geschlafen & gegessen, am Wochenende Holz gehackt, weil Kohle zu teuer war? Wer musste Monate für Holzbuntstifte warten? Mir sagt keiner, was Armut ist. #Rolex“

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Nun kam ein Großteil der Kritik, weil sie eine muslimische Frau ist. Es waren viele Beleidigungen dabei. Bei einem weißen Mann hätte es wohl weniger gestört, und das ist ungerecht. Auch ist die SPD spätestens seit Gerhard Schröders Kanzlerschaft keine linke Arbeiterpartei mehr. Man sollte also annehmen, dass eine Rolex kein Tabubruch für eine Sozialdemokratin sein sollte. Doch solange die Partei so tut, als wäre sie noch an sozialer Gerechtigkeit interessiert, sollte sie sich nach außen nicht wie die FDP geben.

Chebli ist arm aufgewachsen. Es ist schön, dass sie diese Verhältnisse „überwunden“ hat. Dass sie aufgestiegen ist, obwohl das Menschen der Unterschicht, vor allem Frauen, People of Color und Muslimen schwer gemacht wird. Doch rechtfertigt Aufstieg nicht, sich wie Aufstieg zu benehmen.

Genauso Franck Ribéry. Er kommt aus armen Verhältnissen, macht schnell als Fußballer Karriere, spielt für Weltklasse-Vereine wie Galatasaray Istanbul (zumindest damals noch Weltklasse) und den FC Bayern München. Doch ihm scheint der Ruhm zu Kopf gestiegen zu sein, wie so vielen anderen Prominenten.

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Jüngster Eklat: Das Instagram-Video, in dem er in einem von Nusret Gökçes alias Salt Baes Restaurants sitzt. Vor ihm ein 1.200 Euro-Steak, das vollkommen mit Gold umwickelt ist und das er Salt-Bae-like mit den Fingerspitzen aus der Luft salzt. Salt Bae ist der Spitzname von Gökçe, der durch seine Salz-Streu-Technik im Internet viral wurde.

In Deutschland redet man nicht über Geld

Hier fällt es schwer, zu begründen, warum das okay sei, außer aus Prinzip „Mit seinem Geld kann er machen, was er will“, zu sagen. Gold schmeckt nach nichts. Für den Restaurantbesucher ist es nur ein Statussymbol, das schreit: „Schaut her, diese Person hat Kohle!“ Für den Minenarbeiter, der das Gold erwirtschaftet, bedeutet es vielleicht fehlende Finger und Sklaverei.

Als Argument nehmen Einige die sogenannte Neiddebatte zur Hand. In Deutschland redet man schließlich nicht über Geld. Wer das doch tut, gilt als Neider. Ganz im Sinne von Profi-Fußballern, Lobbyisten und Banken-Managern. Ihnen spielt das in die Hände. Das macht sie unantastbar und verschiebt ihre Wahrnehmung von Recht und Unrecht. Es verklärt außerdem die Debatte: Konstruktive Kapitalismus-Kritik muss erlaubt sein, sonst trägt man zum Systemerhalt bei.

Heißt das, dass Menschen mit ihrem Geld nicht machen sollen, was sie wollen? Doch, solange sie niemanden benachteiligen und ihr Geld auch sauber verdienen, nicht etwa durch Steuerbetrug. Aber Eigentum verpflichtet. Hier gilt das Solidaritätsprinzip. Wer mehr Einkommen hat, hat auch eine größere Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Das heißt auch: Wer mit seiner Dekadenz prahlt oder sie zumindest in die Öffentlichkeit trägt, muss auch Kritik über sich ergehen ­lassen.

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