Abfallprobleme in Italien: Den RömerInnen stinkt es

Italiens Hauptstadt ist zugemüllt – mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit. Ein Entsorgungskonzept der Bürgermeisterin fehlt.

Müllsäcke stapeln sich in einer Straße Roms

Kein schöner Anblick: eine Straße in Rom Foto: Imago/ZUMA Press

ROM taz | Eigentlich war es wie jedes Jahr auf der Piazza Venezia, mitten im Zentrum der italienischen Hauptstadt Rom. Ein enormer Weihnachtsbaum, mehr als 20 Meter hoch, erhob sich in der Mitte des Platzes, überreich geschmückt und an der Spitze dekoriert mit einem roten Stern. Doch einem Tag vor dem Fest kam eine weitere Zierde hinzu: sechs große schwarze Müllsäcke, prall gefüllt, und hinter ihnen ein Transparent mit der Aufschrift „Weihnachten der Fünf Sterne – niemand sammelt den Müll in den Bezirken am Stadtrand ein“.

Zugeschlagen hatte das Kollektiv „Militant“. Mit seinen linksradikalen Thesen sonst eher randständig, sprach es diesmal der übergroßen Mehrheit der Römer aus dem Herzen. Quer durch die Stadt quollen in den letzten Wochen die Mülltonnen förmlich über, türmten sich teils meterhohe Berge von Abfall um sie herum, blockierten Bürgersteige und Parkbuchten. Wem sie das zu verdanken haben, ist für die meisten Bürger der Ewigen Stadt auch ausgemacht: ihrer Bürgermeisterin Virginia Raggi aus den Reihen des Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung).

Im Juni 2016 hatte Raggi die Kommunalwahlen triumphal gewonnen. Ganz oben auf der Liste ihrer Wahlversprechen stand die Zusage, sie werde endlich die Wende in der städtischen Abfallentsorgung vollziehen – unter den Stichworten Mülltrennung, Recycling und Müllvermeidung.

Das kam bei den Wählern gut an, denn die Stadt mit ihren drei Millionen Einwohnern hat seit Jahren schon ein strukturelles Müllproblem. Bis zum Jahr 2013 wurden die knapp 5000 Tonnen Abfall, die täglich anfallen, einfach auf die Deponie Malagrotta gefahren, die sich rühmte, die größte Müllkippe Europas zu sein. Doch dann schloss der damalige Bürgermeister Malagrotta – eine überfällige Entscheidung, da die Mega-Deponie allen EU-Normen widersprach.

Kein Konzept

Der Haken war, dass ein schlüssiges neues Entsorgungskonzept nicht vorlag. Etwa 40 Prozent an Trennmüll – Plastik, Glas, Papier – sammelt die Stadtreinigung ein, der große Rest wird in vier Anlagen gekarrt, die „TMB“ heißen. Das Kürzel steht für Trattamento meccanico-biologico, auf deutsch: Mechanisch-biologische Verarbeitung.

Hier werden biologische Abfälle aussortiert, und was übrig bleibt, wird zu großen Ballen zusammengepackt, die dann zu Müllverbrennungsanlagen gebracht werden. Da aber Rom über keine einzige einer solchen Anlage verfügt, stehen weite und teure Reisen an, in diverse Städte Norditaliens, aber auch nach Österreich.

Schon als es funktionierte, hatte dieses System seine Widrigkeiten. Das galt vor allem für die TMB-Anlage nördlich des Stadtzentrums, an der Via Salaria. Sie liegt zwischen diversen Wohnvierteln. Diese leiden seit Jahren unter dem infernalischen Gestank, der dort entsteht, aber auch unter gravierenden gesundheitlichen Folgen, wie Atemwegs- und Krebserkrankungen.

Doch dann ging am 11. Dezember die Anlage in Flammen auf. Ob es sich um Brandstiftung handelte, ist unklar. Einige Tage zuvor waren sämtliche Überwachungskameras ausgefallen. Mit dem wohl endgültigen Ausfall einer der vier TMB-Anlagen geriet das städtische Entsorgungssystem völlig aus dem Tritt.

Nachbarregion springt ein

Zwar erklärte sich die Nachbarregion Abruzzen bereit, einen Teil des römischen Mülls zu übernehmen, doch dank langer Fahrten fallen zahlreiche Müllwagen über Stunden für den Einsatz im Stadtgebiet aus.

Und so bot Rom in den letzten zwei Wochen ein Bild, wie es Italien vorher nur aus Neapel oder aus Palermo mit ihren periodisch wiederkehrenden Müllkrisen kannte – zur Freude der Möwen und Ratten, die die Tonnen umlagern.

Tausendfach posten Römer in den sozialen Netzwerken Fotos mit dem immer gleichen Motiv: der vermüllten Straßenecke gleich vor ihrer Haustür, egal ob im Randviertel oder in zentrumsnahen Bezirken.

Und die Bürgermeisterin, die im Wahlkampf versprochen hatte, sie werde „ein neues Kapitel aufschlagen“ und bei der Entsorgung auf ein „kohärente und nachhaltige Politik“ setzen? Sie wiederholt die Litanei, binnen weniger Jahre werde der Anteil des Trennmülls bei 70 Prozent liegen.

Doch er stagniert seit ihrer Wahl im Sommer 2016. Für die unmittelbare Zukunft machte sie nach dem TMB-Brand an der Via Salaria nur eine Zusage: Da der Ausfall der Anlage erhöhte Entsorgungskosten verursache, dürfen sich die Bürger der Stadt zusätzlich zum Müllnotstand bald wohl auch über steigende Abfallbeseitigungsgebühren freuen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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