Ungemeine Uraufführungsdichte

Heute Abend wird das Ultraschall-Festival eröffnet – es verspricht lohnenswerte Trips in die Vergangenheit

Von Thomas Mauch

Wenn man es sich ein wenig bequemer machen möchte bei Ultraschall Berlin, spart man sich einfach mal die präzise Programmlektüre und pickt sich bei diesem „Festival für neue Musik“ einfach das heraus, wo das Neue wirklich neu ist. Also ganz frisch und anderswo noch nicht gehört – was eben das Versprechen einer Uraufführung ist.

Davon gibt es bei dem am Mittwoch startenden und bis Sonntag dauernden Festival reichlich zu erleben. Satte 11 Uraufführungen stehen auf dem Programm, mit denen man sich bereits ein ganz eigenes und gar nicht so kleines Festival zusammenschnüren könnte. Aber das wäre halt nur ein Teil von Ultraschall, bei dem zum Festivalgedanken schon mit dazugehört, neben Erinnerungen an Klassiker der Moderne wie Morton Feldman und Iannis Xenakis mit Wiederaufführungen das Backprogramm der zeitgenössischen Musik zu pflegen.

Mit Kompositionen von Johannes Ciconia ist beim diesjährigen Ultraschall-Durchlauf dabei allerdings auch eine Musik zu hören, der man nicht mal mehr bedingt eine Zeitgenossenschaft zusprechen möchte. Weil die nun wirklich nicht mehr „neu“ ist. Schließlich handelt es sich bei diesem Ciconia um einen Komponisten des späten Mittelalters, der dennoch gut ins Ultraschall-Programm passt, weil da an diesem speziellen Abend – am Donnerstag im Heimathafen Neukölln – mit Mixtura dazu ein Duo zu hören ist, das mit der Kombination von Schalmei und Akkordeon neue Klangräume aufmachen will. Die Schalmei hatte ihre große Zeit im Mittelalter und in der Renaissance, bis sie im Barock von der Oboe von der Bühne gedrängelt wurde. Das Akkordeon kam erst Anfang des 19. Jahrhunderts in die Welt.

Weil für diese recht eigenwillige Kombination so viele Stücke zum Spielen noch gar nicht vorliegen, gibt es beim Mixtura-Abend mit gleich drei Ersthörungen eine ungemeine Uraufführungsdichte.

Aber wie da bei den verschiedenen Trips in die Vergangenheit (die man schon immer wieder neu hören darf und kann) die Zeitebenen einigermaßen verrutschen, ist doch auch das Charmante beim diesjährigen Ultraschall. Da wird einerseits eben die Schalmei, ansonsten doch eher das Leitinstrument der Alten Musik, neu sondiert, während andererseits für die Aufführung eines Werks mit Synthesizermusik, die vor Kurzem doch noch in die Zukunft weisen wollte, tatsächlich Musikarchäologe betrieben werden musste.

So darf man bei der Präsentation von Bernard Parmegianis „Stries“ aus dem Jahr 1980 (am Freitag im Radialsystem) von einer historischen Aufführungspraxis sprechen. Um das auch wirklich werkgetreu hinzubekommen, mussten erst so alte analoge Synthesizer – von der Digitalisierung ins musikalische Off gestellt – aufgetrieben und wieder spielbar gemacht werden.

Mit historischen Sounds arbeitete auch der Komponist Enno Poppe in seinem neuen Werk, bei dem man – am Sonntag in der Volksbühne – gern an Elektronikpioniere wie Wendy Carlos und Tangerine Dream denken darf. „Rundfunk“ heißt das Stück.

Und dort, im Radio und das teilweise live übertragen aus den verschiedenen Veranstaltungsorten, sind auch alle Konzerte des vom Kulturradio des RBB und Deutschlandfunk Kultur veranstalteten Festivals zu hören.

Ultraschall Berlin vom 16. bis 20. Januar. ultraschallberlin.de