„Anti-Abschiebe-Industrie“ als Unwort: Dobrindt des Jahres

Der CSU-Politiker bekommt für sein „Unwort des Jahres“ die, naja, Ehrung. Mit „Anti-Abschiebe-Industrie“ setzt sich Dobrindt gegen Boris Palmer durch.

Alexander Dobrindt spricht in Mikrofone rein

Zeigt auf die Grünen: Alexander Dobrindt Foto: dpa

Alexander Dobrindt hat gewonnen. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag kann sich ein Ei darauf braten, Schöpfer des „Unworts des Jahres“ 2018 zu sein. Das wird alljährlich von einem Verein namens Gesellschaft für Deutsche Sprache gekürt.

Das Unwort dieses Mal: Anti-Abschiebe-Industrie. Dobrindt hatte es im Mai letzten Jahres in einem Interview benutzt, um all den gefühlsduseligen „Gutmenschen“ (Unwort 2015) mal kräftig eins mitzugeben und damit für die bevorstehende Landtagswahl vielleicht noch ein paar AfD-Stimmen abzugreifen. Genützt hat es bekanntlich nix, die CSU verlor dann zehn Prozentpunkte der Stimmen. Aber einen Versuch war es wert; und Dobrindt, der geübte Eskalierer, hatte es wenigstens versucht.

Er nahm die Auszeichnung am Dienstag mit kühler Gelassenheit zur Kenntnis. Und setzte gleich noch einen drauf. Beim Weißwurstfrühstück, dem traditionellen Pressegespräch in den Sitzungswochen des Bundestags, sagte der Landesgruppenvorsitzende vor JournalistInnen, ihm sei es mit der Formulierung um nichts anderes als „die Beschreibung eines Sachverhalts“ gegangen. Er sei ja in dieser Angelegenheit bereits angezeigt worden. Die Staatsanwaltschaft Berlin erhob damals keine Anklage mit der Begründung, die Äußerung sei keine „Beleidigung für eine klar abgrenzbare Gruppe an Adressaten“.

Dobrindt, der – nebenbei bemerkt – während des Pressetermins keine der kredenzten Weißwürste aß, jedoch an seinem Filterkaffee nippte, hatte aber noch einen eigenen Vorschlag für ein Unwort mitgebracht. „Ich hätte mich eher für ,testosterongesteuerte Männerhorden' entschieden“, sagte er. Von ebendiesen hatte der baden-württembergischen Ministerpräsident Winfried Kretschmann im November gegenüber der Heilbronner Stimme gesprochen. Dobrindt bedauerte in diesem Zusammenhang, nicht Teil der Jury zu sein. Wäre er das, hätte er sicher nicht diese wunderbare Gelegenheit verstreichen lassen, wiederum den von ihm verabscheuten Grünen eins mitzugeben.

Ist Boris Palmer jetzt traurig?

Tatsächlich gehören der Jury für das Unwort vier SprachwissenschaftlerInnen, ein Journalist und ein Autor an. Die Aktion, die es seit 1991 gibt, möchte laut Selbstbeschreibung „den sprachkritischen Blick auf Wörter und Formulierungen in allen Feldern der öffentlichen Kommunikation lenken, die gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen“. Der Ausdruck „Anti-Abschiebe-Industrie“ sei aus rund 900 Einsendungen gewählt worden.

Und zwar, weil er denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützen und Abschiebungen auf dem Rechtsweg prüfen, die Absicht unterstelle, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen und damit in großem Maßstab Geld verdienen zu wollen. Der Ausdruck „Industrie“ suggeriere zudem, es würden auf diese Weise Asylberechtigte „produziert“.

Dobrindt reagierte mit Gelassenheit – und machte sogar gleich einen Gegenvorschlag

Zwei weitere Begriffe waren übrigens noch in der engeren Wahl: „Menschenrechtsfundamentalismus“ und „Ankerzentrum“. „AnKER“, so die Jury, stehe als unzulässiger Euphemismus im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung“.

Der Urheber von „Menschenrechtsfundamentalismus“ ist wiederum Boris Palmer. Es gibt bisher keine Information darüber, wie traurig der grüne Tübinger Oberbürgermeister ist, dass er im Gegensatz zu Dobrindt keinen Preis für menschenverachtende Sprache gewonnen hat. Man darf aber davon ausgehen, dass er sich riesig gefreut hätte. Wer weiß, vielleicht klappt’s ja 2019?

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