Kolumne Helden der Bewegung: Kopflos glänzend

Franck Ribéry ist ein Individualist und einer, der Kind geblieben ist. Selbst die Verachtung spielt er glänzend zurück.

Franck Ribéry jubelt

Der Wusler hat wieder mal getroffen: Franck Ribéry im Dezember 2018 Foto: dpa

Was er nicht im Kopf hat, hat er in den Beinen: Franck Ribéry. Und obendrein noch eine Weisheit: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Was bei Franck Ribéry auf jeden Fall glänzt, ist sein Spiel, nach wie vor. Er ist ein Wusel, ein Gummiball auf einer Schaumparty: nie wirklich greifbar, unvorhersehbar in seinen Ausweichmanövern, unberechenbar. Deswegen ist er Individualist, einer, der Kind geblieben ist.

Das macht ihn jetzt, in erwachsenem Fußballeralter, zum Slacker. Seine Lässigkeit hat wenig Elegantes, es ist mehr Charme und Witz eines Dickens'schen Straßenjungen. Er tut, was er tut, weil er nichts anderes weiß. Selten ist ein Spieler so sehr in der Situation wie Ribéry. Das gilt im Fußball: Er hat sich ganz dem Spiel verschrieben. Hat er den Ball am Fuß, ist das schlicht eine weitere Gelegenheit, einen Streich zu spielen.

Das gilt auch neben dem Platz: Kürzlich hat sich Franck Ribéry ein Stück Fleisch mit Gold überziehen lassen und das alles live auf irgendeinem Social-Media-Kanal gepostet. Darauf kamen viele süffisante, viele irritierte Kommentare; und daraufhin ging bei Ribéry der Gaul durch. Er verunglimpfte die Kommentatoren, was wiederum eine Menge Sportjournalisten kommentierten, die sich alle einig waren: so nicht. Vorbildfunktion, blablabla, all die Leute, die sich auf Kosten und so weiter.

„Savoir jouer“

Der interessanteste Kommentar zur Causa Golden Meat stand in dieser Zeitung, der man ihre linken Wurzeln bisweilen noch anmerkt, auch wenn inzwischen die Chefredaktion meint, die freie (!) Mitarbeiterin Veronika Kracher öffentlich zur Ordnung rufen zu müssen, weil sie außerhalb der Zeitung sagt, Antifaschismus sei nur mit allen Mitteln, auch handfesten, effektiv. Dieser Kommentar war von Juri Sternburg: traurig sei, dass Ribéry goldenes Steak essen müsse, um etwas zu fühlen, aber schuld sei der Kapitalismus, also wir alle.

Okay, so weit. Aber auch dieser Kapitalismus hat Bedingungen. Man wird Ribéry im Original lesen müssen, in der Übersetzung gehe viel verloren (so der Komiker Peter Wittkamp), und das ist zutreffend. Zutreffender, als sich das von Deutschland aus denken lässt. Ribéry ist der Alptraum des konservativen Frankreichs, der dortigen Eliten gewesen: trotz schwerer Kindheit, ohne Ausbildung in einer der Kaderschmieden, auf Umwegen (vulgo: Ausland), trotz Konversion zum Islam, trotz Bildungsferne, trotz Renitenz ist er zum Erfolg gekommen.

Er ist das Kind der Republik, das vom Hof gejagt wurde, und in der französischen Denkart hat er von da an nichts mehr werden dürfen. Dass er ausgerechnet in Bayern, dieser Provinz, die eines der Herzen Europas ist, doch noch etwas wurde, ein Großer seines Fachs, das wird ihm Frankreich nie verzeihen.

Den Franzosen unterstellt man im Ausland „savoir ­vivre“; bei Ribéry ist es entschieden ein „savoir jouer“. Es ist kein Zufall, dass er seinen französischen Hatern antwortete und dass er ebenjenen im Grunde sagte, sie gehörten zurückgefickt und abgetrieben: jouer quelqu’un heißt auch, jemanden mit den eigenen Mitteln übers Ohr zu hauen. Frankreich hatte für Ribéry nichts als Verachtung übrig, und diesen Ball hat er – blingbling – zurückgegeben. Kopflos, mag sein, aber nichtsdestotrotz auf seine Art glänzend.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.