Kommentar Friedensprozess Kolumbien: Eskalation mit Ansage

Präsident Duque hat die Gespräche zu Beendigung der Gewalt in Kolumbien beendet. Das ist ein Fehler, den die ganze Gesellschaft tragen muss.

Der kolumbianische Präsident Ivan Duque bei einer Demonstration in Bogota

Präsident Iván Duque bei einer Demonstration nach dem tödlichen Anschlag in Bogotá Foto: reuters

Die Aufkündigung des Friedens mit den letzten bewaffneten Guerilleros in Kolumbien – der ELN – ist leider keine Überraschung. Im Gegenteil. Es ist eine Eskalation mit Ansage. Und zwar von beiden Seiten.

Noch während seines Wahlkampfs im letzten Jahr hat der heutige Präsident Kolumbiens, Iván Duque, unmissverständlich klargemacht, unter welchen Umständen er die laufenden Friedensverhandlungen mit der – nach der entwaffneten Farc – zweitgrößten Guerillagruppe des Landes beenden werde. Sollten die ELN-Kämpfer nicht ihre Verstecke verlassen, alle Geiseln freigeben und sämtliche kriminellen Aktivitäten und Anschläge einstellen, drohte Duque, ist der Friedensprozess Geschichte.

Das war nicht nur ein wahltaktischer Angriff auf seinen Kontrahenten Humberto de la Calle, der schon für den Friedenspräsidenten Santos erfolgreich mit der Farc verhandelt hatte. Duque wollte klarmachen, dass er nicht so „weich“ verhandeln werde wie sein Vorgänger Santos. Der hatte nämlich ohne Vorbedingungen mit Farc und ELN Gespräche gesucht – auch ohne Waffenruhe.

Santos selbst sprach von der „Doktrin Rabin“, benannt nach dem israelischen Ministerpräsidenten, der sich die Wut vieler Israelis zuzog, weil er zu weitreichenden Zugeständnissen an die PLO bereit war. 1995 wurde Rabin von einem orthodoxen Juden umgebracht.

Wie weit Israel mit seinen Friedensbemühungen seither gekommen ist, sieht man. Und in Kolumbien? Kaum im Amt, setzte der neue Präsident vergangenen August seine Drohung um. Ein Fehler, dessen Konsequenzen jetzt nun die gesamte Gesellschaft tragen muss. Denn seitdem der Friedensprozess ausgesetzt wurde, provoziert die ELN wieder verstärkt mit neuen Entführungen und Anschlägen wie nun dem tödlichen von Bogotá.

Das ist genauso verheerend wie Duques Weigerung, den Guerilleros im Gegenzug zur Erfüllung seiner Bedingungen Garantien anzubieten. Genau das aber bräuchten beide Konfliktparteien – und das ganze Land, das sich nach mehr als 50 Jahren Krieg endlich Frieden wünscht.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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