Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Über das Loser-Gen der Bahn, die Vereinigten Staaten von Schlaraffia, das Erfolgsrezept der AfD und Jens Spahns Gesundheitsreformpläne.

Theresa May verlässt die Downing Street

Theresa May muss einen harten, einen weichen und gar keinen Brexit nach Hause bringen Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: „Ordeeeeeeeeeer!“

Und was wird besser in dieser?

Wolfgang Schäuble bekommt ein Coaching von John Bercow.

Nachdem sie ihr zweites Misstrauensvotum überlebt hat, sagte die britische Premier Theresa May: „Ich glaube, dass es meine Pflicht ist, die Anweisung des britischen Volkes auszuführen.“ Wie lauten diese Anweisungen noch mal ganz genau?

Nun, sie muss einen harten, einen weichen und gar keinen Brexit nach Hause bringen, und dann sind auch schon alle zufrieden. Den vorliegenden Vertrag werten manche als „Brino“: „Brexit in name only“. Zu Recht, denn die 585 Seiten enthalten vor allem einen Kern von 26, in denen steht, dass nichts geregelt ist. Sondern: Man wolle in der Übergangszeit eine „Freihandelszone mit tiefen Kooperationen bei Regeln und Zoll“ vereinbaren.

Was zum Teufel haben die eigentlich bisher besprochen dann? Die EU wirkt undurchsichtig, überbürokratisch, undemokratisch – und immerhin können die Briten jetzt betrachten, dass ein EU-Austritt genauso ist. Eine Mehrheit möchte freien Handel mit Waren, Dienstleistungen, Geld, keine EU-Gesetze, wenig bezahlen und vor allem: keine Menschen. Schlaraffenland – und den Vereinigten Staaten von Schlaraffia würden ca. 28 EU-Mitglieder beitreten. Großbritannien wird, mit May oder ohne, weiter auf Zeit spielen.

Theresa May muss nun einen harten, einen weichen und gar keinen Brexit nach Hause bringen, und dann sind auch schon alle zufrieden

Das Bundesverfassungsgericht soll entscheiden, ob Hartz-IV-Sanktionen gegen das Grundgesetz verstoßen. Was fördern und fordern Sie?

Eine der härtesten Sanktionen hat ja wohl die SPD abbekommen; sie bewirbt sich seither ununterbrochen um Jobs und nimmt jede Drecksarbeit an. Die Jagd auf vermeintlich Arbeitsunwillige ist Bundesarbeitsminister Waidmanns Heil inzwischen selbst peinlich – die Verfassungsrichter kommen wie gerufen, der SPD in den rheumatisch gewordenen Arm zu fallen. Am Ende wird die Union Hartz verteidigen, Unions-Verfassungsrichter Harbarth Milderungen anordnen und die SPD plakatieren: „Sozialdemokraten – zu ihrem Glück gezwungen“.

Die Deutsche Bahn will Verspätungen reduzieren und zu diesem Zweck 22.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist ja zu schön, um wahr zu sein. Könnte man dieses geniale Prinzip auch auf andere Bereiche anwenden, wo es derzeit noch hakt? Wir denken da an den Funknetzausbau …

Okay, die Bahn könnte die arbeitslosen AirBerliner, die bedrohten Germania-Flieger und noch 12.000 Leute vorm Arbeitsmarkt holen. Volkswagenschrauber etwa, Dieselopfer. Ein nicht geringes Problem der Bahn ist ihre mindeste Transparenz. Luft- und Straßenreisende erleben die tollsten Abenteuer in Stau, Umleitung, Flugausfall und Enteisungsschlange – allein die Bahn hat das Loser-Gen und bekommt die Dresche. Man muss sich bei der berechtigten Kritik an der Bahn stets auch anschauen, wessen nützlicher Idiot man dabei werden kann.

Der Verfassungsschutz nimmt sich jetzt die AfD und die Junge Alternative vor. Sogleich forderte ein „gemäßigter“ AfD-Abgeordneter, die JA möge einen „Selbstreinigungsprozess“ in Gang bringen. Schonwaschgang oder Sandstrahler?

Nichts Neues. Der Verfassungsschutz „prüft“ den AfD- „Flügel“ und die „JA“ schon länger; der neue Chef des Hauses teilt das nun mal mit und schafft damit Distanz zu Vorgänger Maaßen. Und lecker Diskriminierung für die Jammerprofis von rechts. Das Erfolgsrezept der AfD – „von Nazi bis Bazi“ – spielt mit genau dieser Grenze zwischen demonstrativer Bürgerlichkeit und aggressivem Halunkentum, und was als Popkultur daherkommt, ist halt zum guten Teil verfassungsfeindlich. Jeder Flügel einzeln verliert; die Partei wird mit der Zeit aus beidem etwas brauen oder untergehen.

Die Pflegeversicherung wird sich schon in wenigen Jahren nicht mehr allein über Beiträge finanzieren lassen. Gesundheitsminister Spahn regt deshalb eine „Grundsatzdebatte“ an, die SPD bringt derweil wieder das Wort „Bürgerversicherung“ ins Spiel. Wer ist radikaler?

Schön! Da sind die Fronten doch mal klar: Spahn will Steuerzuschüsse, also den Beitragszahlern auch noch in die andere Tasche greifen. SPD-Lauterbach will Beamte und Selbstständige abkassieren, also Privilegien Begünstigter schleifen. Gerade Ältere und Pflegebedürftige können sich noch an die Zeit erinnern, als CDU und SPD so polarisiert waren.

Was die Troika nicht geschafft hat, vermag ein Namensstreit: den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras ins Straucheln bringen. Tausende Griech*innen demonstrierten diese Woche gegen die Umbenennung des Nachbarlands. Können Sie das jetzt bitte mal klären: „Mazedonien“ oder „Makedonien“?

Tsipras muss seine rechtsextremen Koalitionspartner nicht bis zur ohnehin feststehenden Wahl im Dezember durchschleppen, und die können rabulistisch opponieren. Win-win. Plädiere für „Matschedonien“.

Und was machen die Borussen?

Freude.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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