Nebenwirkungen der Bioökonomie: Ökologisch fragwürdig

Nicht alles, was unter den Begriff Bioökonomie fällt, ist auch gut für die Umwelt. Ökologen fordern eine kritische Debatte.

Maispflanzen stehen Reihe an Reihe auf einem Acker

Maisfeld: ein Eldorado für Wildschweine, für die meisten Insekten jedoch eine feindliche Umwelt Foto: imago/Karina Hessland

BERLIN taz | Mehr nachwachsende Rohstoffe sollen in der Wirtschaft eingesetzt werden, weil das auch dem Klima nützt. Das ist das große Versprechen der Bioökonomie, deren Entwicklung von der Forschungspolitik mit Milliardensummen angeschoben wird. Doch hinter die neuen, vermeintlich ökologischen Technologien gehört ein dickes Fragezeichen, meint das „Zivilgesellschaftliche Aktionsforum Bioökonomie“, zu dem sich ein Dutzend bundesdeutscher Umwelt- und Entwicklungsverbände zusammengeschlossen haben.

Die Diskussion über die Bioökonomie finde „bislang weitgehend exklusiv in Fachkreisen von Wirtschaft und Politik statt“, kritisiert Peter Gerhardt vom Denkhaus Bremen, einem eingetragenen Verein, der mehrere Umweltprojekte betreibt. Das für zwei Jahre angelegte Aktionsforum wird vom Umweltbundesamt (UBA) gefördert. Die Debatte sei aber nötig, so Gerhardt weiter, weil bisher weithin unbeachtet geblieben sei, „dass eine mögliche Bioökonomie die Ökonomisierung der Natur weiter vorantreibt, etwa durch eine kontinuierliche Expansion von industrieller Land- und Forstwirtschaft zulasten der Umwelt“.

László Maráz, Waldexperte beim „Forum Umwelt und Entwicklung“, illustriert die Problematik am Beispiel der Bioraffinerie, die am ehemaligen Petrochemie-Standort Leuna errichtet wurde. In der „Chemiefabrik auf Holzbasis“ wird der Rohstoff aus dem Wald mit Wasser und Alkohol unter hoher Temperatur und Druck gekocht und in seine Hauptbestandteile Zellulose und Lignin zerlegt. „Beide Stoffe können dann zur Erzeugung anderer Materialien verwendet werden, für die man bisher fossile Grundstoffe einsetzt“, erläutert Maráz.

Die 50 Millionen Euro teure Pilotanlage soll die technische Machbarkeit demonstrieren, aber ob das Verfahren wirtschaftlich sinnvoll ist, steht dahin. „Denn für die technisch aufwändigen Prozesse benötigen die teuren Anlagen sehr viel Energie“, merkt Maráz an. „Für den Klimaschutz ist das nicht gut.“

Die Bioökonomie kennt inzwischen vieler solcher „ökologischer Pferdefüße“ von unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Von den endlosen Mais-Plantagen für die Bioenergie-Produktion, die mit ihrer Agro-Monotonie zum Insektensterben beitragen bis hin zu den Tropenwald-Rodungen für Palmöl-Plantagen, damit hiesige SUV ökologisch korrekten Biosprit tanken können. Auch die sozialen Auswirkungen der Bioökonomie in den Entwicklungsländern sind aus Sicht des Aktionsforums noch zu wenig im Blick.

In einem Workshop letzten November in Berlin wurde an einem Forderungspapier gearbeitet, das jetzt zur „Grünen Woche“ vorgestellt wird. „Wir wollen in neuen Jahr verstärkt an die politischen Entscheidungsträger herantreten“, erklärt Gerhardt. So wird der Bioökonomierat, das wissenschaftliche Begleitgremium im Auftrag der Bundesregierung, demnächst neu besetzt. Hier will die Zivilgesellschaft künftig auch vertreten sein, sagt Gerhardt. „Und nicht nur als Feigenblatt.“

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