Aldi und andere Supermarktketten: Einheitliches Tierhaltungssiegel startet

Handelskonzerne vereinheitlichen ihre Kennzeichnung der Haltungsform, aus der Fleischprodukte stammen. Amputationen bleiben erlaubt.

Schweine stehen in einem Stall

Wie geht es diesem armen Schwein? Foto: dpa

BERLIN taz/dpa | Die Verbraucher in Deutschland können sich beim Fleischkauf künftig einfacher über die Haltungsbedingungen der Schlachttiere informieren. Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und andere große Lebensmittelhändler werden ein einheitliches System zur Haltungskennzeichnung bei Rinder- und Schweinefleisch sowie Geflügel verwenden.

Das kündigte die von der Nahrungsmittelbranche getragene Initiative Tierwohl am Freitag an. Ab dem 1. April soll das System schrittweise eingeführt werden – zunächst bei verpackten Produkten.

Viele Handelsketten hatten in den vergangenen Monaten bereits damit begonnen, eigene Kennzeichnungssysteme in Sachen Tierhaltung einzuführen. Doch war dies für Verbraucher wegen der Uneinheitlichkeit der Kennzeichnung teilweise verwirrend. Gleichzeitig plant Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) eine staatliche, freiwillige Kennzeichnung.

Mit ihrem eigenen einheitlichen System schaffen die Handelskonzerne nun Fakten, mit denen sie offenbar auch die Verhandlungen über die Kriterien für Klöckners Siegel beeinflussen wollen.

Bio ohne eigene Stufe

In welche Richtung diese Bestrebungen gehen, zeigt das nun von der Initiative Tierwohl entwickelte System: Die 1. Stufe „Stallhaltung“ entspricht nur den gesetzlichen Anforderungen. Fleisch, das mit Stufe 2 „Stallhaltung plus“ gekennzeichnet ist, muss aus einer Haltung mit nur geringfügig höheren Tierwohlstandards wie 10 Prozent mehr Platz im Stall und zusätzlichem Beschäftigungsmaterial stammen. Das sind bei einem typischen Mastschwein lediglich 0,08 Quadratmeter mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 0,75 Quadratmeter.

zeigt die Haltungskennzeichnung «Stallhaltung» (Stufe 1) der Initiative Tierwohl (ITW)

So sieht die Stufe 1 der Haltungskennzeichnung aus – die es angeblich kaum geben wird. Grafik: Initiative Tierwohl/dpa

Stufe 3 „Außenklima“ fordert für die Tiere unter anderem noch mehr Platz und Frischluft-Kontakt. Bei Stufe 4 „Premium“ haben die Tiere noch mehr Platz und müssen zwingend Auslaufmöglichkeiten haben. Biofleisch wird auch in diese Stufe eingeordnet, obwohl es viel mehr bietet als nur mehr Platz und Auslauf, nämlich zum Beispiel ohne umweltschädliche Pestizide erzeugtes Futter.

Puten dürfen weiter Schnäbel gekürzt werden

Für das im deutschen Lebensmitteleinzelhandel erhältliche Hähnchen- und Putenfleisch bedeutet diese neue Kennzeichnung nach Branchenangaben, dass im Frischesegment ausschließlich Geflügelfleisch der Stufen 2, 3 und 4 angeboten wird, bei Frostware gilt dies für unbehandeltes Geflügelfleisch. Hintergrund ist, dass die deutschen Erzeuger von Hähnchen- und Putenfleisch das entsprechende Sortiment im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel bereits im vergangenen Jahr komplett auf die Kriterien der Initiative Tierwohl umgestellt hätten, was der neuen Haltungsform-Kennzeichnung 2 entspreche, teilte der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft mit.

Doch das System erlaubt weiter von Tierschützern kritisierte Manipulationen des Viehs: „In den Kriterien der Haltungskennzeichnung ist nicht definiert, dass Puten nicht die Schnäbel gekürzt werden dürfen“, sagte Patrick Klein, Pressesprecher der Initiative Tierwohl, der taz. Es fordere lediglich, dass diese Amputationen mit einem schmerzarmen Laserverfahren erfolgten. Die Schnäbel werden gekürzt, damit sich die Tiere in den engen, reizarmen Ställen nicht gegenseitig verletzen.

Zu finden sei die Kennzeichnung künftig bei Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto Marken-Discount, Penny und Rewe, hieß es. Das System sei so konzipiert, dass es grundsätzlich mit der geplanten staatlichen Tierwohl-Kennzeichnung vereinbar sei.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erklärte, die staatliche Tierwohl-Kennzeichnung gehe über eine reine Haltungskennzeichnung, wie sie der Handel plane, hinaus. „Denn bei der staatlichen Kennzeichnung wird die gesamte Lebensspanne des Tiers in den Blick genommen – von der Geburt bis zur Schlachtung – und nicht nur Platzangebot und gegebenenfalls Bewegungsradius“.

Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken sagte: „Der Einzelhandel führt Julia Klöckner vor: Während die Ministerin nur ein Nischen-Label für einen Bruchteil des Fleischangebots plant, informieren alle großen Supermarktketten den Verbraucher künftig umfassend. Sie kennzeichnen auch Fleisch, das aus schlechter Haltung kommt.“

Die Realität habe Klöckners Pläne durchkreuzt. Sie konnte laut Greenpeace weder den Handel, noch die Tierhalter oder die Verbraucher für ihr Nischen-Label gewinnen. Die Ministerin müsse die Kennzeichnung in Handel und Gastronomie zur Pflicht machen und die gesetzlichen Regeln für die Tierhaltung grundlegend verbessern.

Auch die Grünen erklärten, der Einzelhandel fülle nun das Vakuum, „das die Agrarpolitik der Union produziert“. Es fehle an einer „klaren Strategie“ von Ministerin Klöckner. Nötig sei eine verpflichtende Haltungskennzeichnung wie bei Eiern.

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