Halb Haus, halb Grün

Der Volksentscheid übers Rennbahngelände wird stattfinden. Die Grünen wollen sich der Bürgerini mit einem Kompromiss nähern. Das kommt ein bisschen spät, findet die

Das Motto „Grün statt Beton“ ist sehr populär auch für Menschen, die nicht bei der Rennbahn wohnen

Von Klaus Wolschner

Die „Bürgerinitiative Rennbahngelände“, die unter dem Motto „Grün statt Beton“ und „Hände weg von der Galopprennbahn“ angetreten ist, hat offenbar die erforderlichen 21.234 gültigen Unterschriften für einen stadtbremischen Volksentscheid bekommen. Wenn dieses Volksbegehren in der Bürgerschaft erst in der nächsten regulären Sitzung am 26. Februar behandelt wird, dürfte laut Gesetz erst eine Woche nach der Landtagswahl ein Volksentscheid stattfinden – eine missliche Lage, die zudem rund eine Millionen Euro kosten würde.

Grüne, CDU und SPD sind sich daher einig, vor dem 23. 2. eine Sondersitzung der Bürgerschaft einzuberufen. Dann könnte der Volksentscheid am Wahltag stattfinden. Die CDU unterstützt die Ini, der Fraktionsvorsitzende Thomas Röwekamp will aber nach einem erfolgreichen Volksentscheid an einem runden Tisch über die „bestmögliche Nutzung des Geländes besprechen“ – inklusive einer möglichen Änderung des per Volksentscheid beschlossenen Ortsgesetzes.

Robert Bücking von den Grünen hat nun angeregt, einen Schritt auf die Ini zuzugehen: Man könne für den Tag des Volksentscheides einen eigenen Volksentscheid einbringen, einen Kompromiss unter dem Motto „Halbe-halbe“. Danach sollte nur die Hälfte der Fläche von 35 Hektar zur Bebauung freigegeben werden, die andere Hälfte für Erholung, Sport, Freizeit und Kultur erhalten werden. Die Rennbahnwiese, so die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Maike Schaefer, sei weder für die Bevölkerung zugänglich noch ökologisch wertvoll, eine grüne Umnutzung könnte also für die Umwelt viel bringen.

Der Vorstoß soll verhindern, dass der Volksentscheid der Ini eine Mehrheit bekommt. Das Motto „Grün statt Beton“ ist sehr populär auch für Menschen, die nicht im Umfeld der Rennbahn wohnen, aber die Parole „Halbe-halbe“ wäre ebenso eingängig insbesondere für Menschen, die der Wohnraumschaffung auf dem Gelände zustimmen.

Keine Basis für einen Kompromiss sieht Ini-Sprecher An­dreas Sponbiel in dem Vorschlag: „Wir haben seit 2016 vier Unterschriftensammlungen organisiert, da hätte die Politik uns etwas früher ernst nehmen müssen“, sagt er. Auch aus Gründen der Glaubwürdigkeit könne sich die BI darauf nicht einlassen.

Die rechtlichen Regelungen des Volksentscheides haben für den nun erstmals denkbaren Fall, dass es zwei Volksentscheide zu derselben Sache gibt und sowohl „Grün statt Beton“ wie „Halbe-halbe“ eine Mehrheit von Ja-Stimmen bekommen, die Möglichkeit einer Stichfrage vorgesehen, erklärten die Juristen der Bürgerschaft: Die Stimmberechtigten könnten vorab in einem dritten Kreuz erklären, für welche Variante sie stimmen, wenn beide Volksentscheide angenommen werden sollten.

„Wir begrüßen den Vorschlag der grünen Fraktion“, sagt Jens Tittmann, Sprecher des Bauressorts. Eine präzise Vorgabe für die Aufteilung des Geländes gebe es bisher nicht, aber klar sei, dass eine „lockere Wohnbebauung mit viel Grün und Sportstätten“ gewünscht ist. In der Diskussion wird oft davon gesprochen, dass „ein Drittel“ der bebaubaren Fläche von 30 Hektar grün bleiben soll, fünf Hektar sind Wald. Die vom Wirtschaftssenator einmal ins Spiel gebrachte Zielzahl von „1000 Wohneinheiten“ bleibt auf der Fläche nach den bundesweiten Standards bei einer gemischten Bebauung mit einem Anteil freistehender Einfamilienhäuser ohne Probleme erreichbar. Auch bei anderen Bauflächen ist allerdings eine „nachträgliche Verdichtung“ beschlossen worden – mit einem Volksentscheid würde das „Halbe-halbe“ verbindlich.

Ob es zum zweiten Volksentscheid kommen wird, hängt an der SPD. Deren Fraktionsvorsitzender Björn Tschöpe zweifelt aber, ob sich das politische „Halbe-halbe“ bis zu einer Sondersitzung am 23. Februar in die präzise Form eines Ortsgesetz-Entwurfs gießen lässt. Dem Streit mit der Bürgerinitiative will er nicht ausweichen. Er setzt darauf, dass die Mehrheit dagegen stimmt: „Bremen muss sich entscheiden, ob da bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden soll, oder nicht“, so Tschöpe.