Russland muss Georgien zehn Millionen Euro zahlen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte legt Entschädigungszahlungen für georgische Opfer von Massenabschiebungen aus Russland im Jahre 2006 fest

Ebenfalls aus Russland abgeschoben: Ankunft eines Georgiers im Oktober 2006 auf dem Flughafen in Tiflis Foto: Vano Shlamov/afp

Von Christian Rath

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen der Massenausweisung von Georgiern im Jahr 2006 zu Schadensersatz in Höhe von zehn Millionen Euro verurteilt. Dass Russland dabei Menschenrechte verletzte, hatte der EGMR schon 2014 festgestellt.

Im Herbst 2006 hatte Georgien vier russische Offiziere festgenommen, weil sie in Georgien spioniert hätten. Wohl als Vergeltung intensivierte Russland die Suche nach Georgiern, die illegal in Russland lebten, um diese festzunehmen und abzuschieben. In der Folge schnellte die Zahl der Ausweisungen von Georgiern aus Russland in die Höhe: von 80 bis 100 auf 700 bis 800 Personen pro Monat. Insgesamt mussten nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen mehr als 4.600 Georgier Russland verlassen, wobei rund die Hälfte verhaftet und abgeschoben wurde.

Russland bestritt eine punktuelle Zunahme der Ausweisungen. Die vorgelegten Belege seien gefälscht oder stammten von übereifrigen Beamten, die deshalb verwarnt wurden.

Die Straßburger Richter gingen wegen der Vielzahl gleichlautender Berichte davon aus, dass die georgische Darstellung stimmt. Russland habe damit das Verbot von Massenausweisungen ohne Einzelfallprüfung verletzt, das in einem Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention enthalten ist. Außerdem seien die Festgenommenen unmenschlich behandelt worden, weil sie in überfüllten und unsauberen Zellen untergebracht waren und zu wenig Nahrung erhielten.

Die Große Kammer des EGMR verurteilte Russland 2014 zur Zahlung von Schadensersatz in noch nicht bezifferter Höhe. Die Berechnung des Schadensersatzes war ungewöhnlich, weil hier nicht Einzelpersonen geklagt hatten, sondern der georgische Staat. Nachdem jedoch Georgien eine Liste mit 1.795 Betroffenen einreichte, entschied der EGMR nun, dass Russland auch hier Schadensersatz bezahlen muss. Das Urteil fiel mit 16 zu 1 Stimmen. Nur der russische Richter stimmte dagegen.

Russland muss 10 Millionen Euro an Georgiens Regierung überweisen, die die Verteilung organisieren muss. Wer „nur“ von der Massenausweisung betroffen war, soll 2.000 Euro erhalten. Wer zusätzlich inhaftiert und menschenunwürdig behandelt wurde, hat Anspruch auf 10.000 bis 15.000 Euro.

2018 verhandelte das Gericht über eine weitere Staatenklage Georgiens gegen Russland. Sie betrifft den Konflikt um die Regionen Abchasien und Südos­setien, die sich von Georgien abgespalten haben. Als georgische Truppen Südossetien 2008 zurückerobern wollten, griffen auch russische Truppen ein. Laut Klage hätten sie Zivilisten getötet, Häuser angezündet und Menschen vertrieben. Hier liegt noch kein Urteil vor.