Veto gegen Fusion Siemens-Alstom: „China ist keine Gefahr“

EU-Wettbewerbskommissarin Vestager begründet ihr Nein zum geplanten deutsch-französischen Champion mit dessen marktbeherrschender Stellung.

zwei Schnellzüge von unterschiedlicher Bauart fahren auf einer Brücke aneinander vorbei.

Sollen weiter gegeneinander statt in einem gemeinsamen Konzern fahren: der TGV von Alstom und der ICE von Siemens Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission hat die vom deutschen Mischkonzern Siemens angestrebte Übernahme des französischen TGV-Herstellers Alstom untersagt und Deutschland und Frankreich die Leviten gelesen. Ein starker Wettbewerb halte die europäischen Unternehmen auf Trab, begründete die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager ihre umstrittene Entscheidung. China sei nicht das Problem, fügte sie hinzu.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire hatten sich für die Fusion stark gemacht und vor Konkurrenz aus China gewarnt. Durch den Zusammenschluss werde ein „europäischer Champion“ entstehen, der dem chinesischen Staatsunternehmen Paroli bieten könne, so Le Maire. Doch Wettbewerbskommissarin Vestager kam zu einem ganz anderen Ergebnis.

Natürlich habe man sich bei der umstrittenen Entscheidung auch den chinesischen Markt angeschaut, so Vestager. „Und zwar nicht abstrakt, sondern ganz konkret.“ Das Ergebnis passt nicht zu den Kassandrarufen aus Paris und Berlin: Der chinesische Hersteller von Schnellzügen – ein Staatsbetrieb – mache 90 Prozent seines Geschäfts in China. Nur zehn Prozent entfielen auf andere Märkte.

Von einer globalen Strategie des Chinesen könne im Bahnsektor also keine Rede sein, so Vestager. Zudem habe sich noch kein chinesisches Unternehmen an europäischen Ausschreibungen beteiligt. “In der absehbaren Zukunft zeichnet sich auch kein chinesischer Vorstoß auf den europäischen Markt ab“, schloss die Kommissarin ab – und gab den Schwarzen Peter an Paris und Berlin zurück.

Vestager mahnt „vernünftige Industriepolitik“ an

Statt nun das EU-Wettbewerbsrecht zu reformieren, um die Schaffung von “Europäischen Champions“ zu ermöglichen, sollten Deutsche und Franzosen für eine vernünftige Forschungs- und Industriepolitik sorgen. Auch beim Beschaffungswesen sei noch Luft nach oben, so die streitbare Dänin. Bei ihrer Entscheidung habe sie nicht nur an Deutschland und Frankreich, sondern auch an die übrigen 26 EU-Staaten gedacht – und an die Verbraucher.

Nach Ansicht der Brüsseler Wettbewerbshüter würde die Fusion zu einer marktbeherrschenden Stellung von Siemens-Alstom und zu höheren Preisen im Bahnverkehr führen. Vor allem bei den Hochgeschwindigkeitszügen (TGV und ICE) sowie bei der Signaltechnik seien beide Konzerne schon jetzt sehr stark. Der Zusammenschluss hätte „einen dominanten Akteur“ geschaffen und den Wettbewerb verzerrt.

Paris und Berlin wollen sich mit dem Nein aus Brüssel jedoch nicht abfinden. Das Fusionsverbot schwäche Europa und diene „den wirtschaftlichen und industriellen Interessen Chinas“, sagte Le Maire. Wie CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach sich Le Maire für eine Reform des EU-Wettbewerbsrechts aus. Er sprach von „überholten Regeln, die neu geschrieben werden müssen“. Dazu werde er mit Altmaier bald Vorschläge vorlegen.

„Es ist wichtig, dass Europa sich so aufstellt, dass wir unsere Interessen mit Aussicht auf Erfolg in einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb in anderen Ländern weltweit vertreten können“, erklärte Altmaier. Der chinesische Staatskonzern sei mit einem Umsatz von 30 Milliarden Euro etwa doppelt so groß wie Siemens und Alstom zusammen, heißt es in Berlin. Der Streit geht also weiter, er könnte sogar zum Thema im Europa-Wahlkampf werden.

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