US-Journalistin Jill Abramson: Ein unklares Verhältnis zur Wahrheit

Ein Buch der ehemaligen Chefredakteurin der „New York Times“ steht unter Plagiatsverdacht. Darin geht es um die Glaubwürdigkeit der Medien.

Jill Abramson schaut in die Kamera

Jill Abramson war die erste Frau an der Spitze der „New York Times“ Foto: ap

BERLIN taz | Die Fakten werden ihr jetzt zum Verhängnis. Jill Abramson, die frühere Chefredakteurin der New York Times, beschreibt in ihrem neuen Buch den amerikanischen Journalismus als Kampf um die Fakten. In „Merchants of Truth“ (Händler der Wahrheit) zeigt sie, wie sich die vier großen Medienunternehmen The New York Times, The Washington Post, BuzzFeed und VICE entwickelt haben. Es geht um die Zeitungskrise, die digitalen Umwälzungen und das schwindende Vertrauen der Leser*innen in die Glaubwürdigkeit der Medien.

Und nun steht ausgerechnet dieses Sachbuch unter Plagiatsverdacht. Der Vice-Korrespondent Michael Moynihan veröffentlichte bei Twitter einzelne Buchpassagen, die Textstellen aus den Magazinen The New Yorker, Time Out und anderen Publikationen stark ähneln. Sechs Abschnitte sollen fast in identischem Wortlaut aus anderen Publikationen ohne Quellenangabe übernommen worden sein.

Moynihan wirft Abramson außerdem schlechte Recherche vor: „Alle drei Kapitel über Vice sind voll von Fehlern. Vielen Fehlern. Die Wahrheit, die in ‚Händler der Wahrheit‘ versprochen wurde“, ist oft nicht wahr“, schrieb er. Der freie Journalist Ian Frisch twitterte ebenfalls, dass Abramson an sechs Buchstellen aus seinen Artikeln plagiiert haben soll.

Abramson reagierte noch am Mittwochabend (Ortszeit) im Sender Fox News auf die Vorwürfe. Sie sagte, sie habe „ganz bestimmt“ kein Plagiat in ihrem Buch begangen. Es gebe „70 Seiten mit Fußnoten, die zeigen, wo ich die Informationen herhabe“. Sie habe fair berichtet. Kurze Zeit später lenkte sie jedoch ein: „Ich werde die angesprochenen Probleme ernst nehmen und die genannten Passagen überprüfen“, schrieb sie bei Twitter.

Die erste Frau an der Spitze

Cary Goldstein, Sprecherin des Verlags Simon & Schuster, sagte, dass das Buch der 64-Jährigen „ausführlich recherchiert und sorgfältig mit Quellen versehen worden sei“. Die Washington Post gab hingegen an, die Fußnoten des Buchs überprüft zu haben. Demnach sei im Fließtext nicht erkennbar, welche Passagen aus fremden Quellen übernommen worden seien.

Abramson hat in Harvard Geschichte und Literatur studiert und begann ihre journalistische Laufbahn beim Harvard Independent. Ab den späten 1980er Jahren arbeitete sie als Washington-Korrespondentin des Wallstreet Journal. In der gleichen Funktion wechselte sie 1997 zur New York Times und war von 2011 bis 2014 dann deren Chefredakteurin – die erste Frau an der Spitze einer der einflussreichsten Zeitungen in den USA.

In ihrer Zeit als Chefredakteurin gewann das Blatt acht Pulitzerpreise. Doch im Jahr 2014 wurde sie überraschend vom Verleger Arthur Sulzberger jr. entlassen. Medienberichten zufolge sei sie mit Kolleg*innen gefühllos umgegangen. In einer Hausmitteilung der New York Times hieß es gar, ihr Stil sei „als launisch und brüsk beschrieben worden“.

Abramson sagte nach ihrer Entlassung: „Ich habe meine Zeit bei der New York Times geliebt.“ Ihr Nachfolger ist Dean Baquet, der erste afroamerikanische Chefredakteur des Blatts.

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