Boxsport in Deutschland: Bumm, Bling-Bling

Ein Kampfabend in Berlin beweist: So schlecht steht es gar nicht um das deutsche Boxen. Nick Hannig zum Beispiel ist jetzt auch ein Champion.

zwei Boxer im Ring

Der ehemalige MMA-Fighter Ryan Ford (l.) und Nick Hannig hauen sich auf die Nase Foto: imago/Jan Huebner

BERLIN taz | Wo das deutsche Profiboxen gerade steht, lässt sich leicht beantworten: In Berlin hatte es sich am Samstagabend aufgestellt, in einer Glitzerwelt, aber nicht in, sondern neben der großen Mercedes-Benz-Arena. Buntes Bling-Bling auf dem Platz, buntes Bling-Bling in der Verti Music Hall, so heißt die Halle.

Eine Fightnight steht an, zwölf Profikämpfe vor knapp 3.000 Zuschauern – mit allem, was dazugehört: 22 Boxer und zwei Boxerinnen, ein um seine sehr eigene Tonlage bemühter Ringsprecher, Walk-in-Musik mit Lichteffekten und Bässen, die den aufgebauten Boxring zittern lassen, Nummerngirls, die sich drei Mal am Abend umziehen, Funktionäre in auf Seriosität gemachten Anzügen und Ehrengäste, die kaum einer kennt.

Veranstalter ist die Petkos Boxpromotion aus der Nähe von München, die erstmals in Berlin ist. Sonst zieht die Firma durch Orte wie Kühbach, Traunreut oder Braunlage. Kleinring nennt man das in dieser Branche, die in den neunziger und nuller Jahren dank Musterathleten wie der Klitschkos und Henry Maske für viel Aufmerksamkeit und Geld sorgte.

Ob es derzeit einen deutschen Weltmeister gibt, darüber gab es Diskussionen: Manuel Charr lebt in Köln, hat eine deutsche Boxlizenz, aber die syrische Staatsangehörigkeit – und schon der Streit über seinen Pass verhinderte, dass aus dem Mann ein vorzeigbares Idol wird.

Königs Wusterhausen und Duisburg

Am Samstag stehen solche Namen im Ring: Nick Hannig aus Königs Wusterhausen oder Yusuf Kangül aus Duisburg, Christina Hammer aus Dortmund, die schon Weltmeisterin ist, aber heute nicht um ihren Titel boxt. Sie war eine Weile verletzt und bekommt einen Aufbaukampf gegen eine unerfahrene Georgierin, den sie schnell und unspektakulär gewinnt. Auch Boxer wie Denny Heydrich, Edgar Walth, Rico Müller oder Taycan Yildirim zeigen sich. Namen, denen der Glamour, den die Klitschkos verstrahlten, abgeht.

Hauptkämpfer ist Nick Hannig, schon 32 Jahre alt, aber erst in seinem siebten Profikampf stehend. Es geht nicht um einen WM-Titel, sondern um die vakante WBC International Championship, eine Art Vorstufe zur WM. Hannig und sein Gegner Ryan Ford, 36, aus Kanada kämpfen im Halbschwergewicht, wo Deutschland einst mit Graciano Rocchigiani, Henry Maske oder Dariusz Michalczewski Weltklasseboxer hatte. Hannig, der während seiner Amateurkarriere noch eine Security-Firma aufgebaut hat, steigt als „Mister Business“ in den Ring, der frühere MMA-Fighter Ford, der schon große Gegner hatte, gilt als „The Real Deal“.

Veranstalter ist die Petkos Promotion, die auch in Kühbach oder Traunreut boxen lässt

Vor dem Kampf gibt es die Hymnen, die deutsche wird sogar gesungen, und im Zwölf-Runden-Kampf beweist sich zum wiederholten Mal, dass das deutschen Boxen gut dasteht. Hannig ist übrigens Weltrekordhalter: Er schlug 2017 einen Gegner nach zwölf Sekunden k. o. – „mit Anzählen!“ Das spielt heute Abend keine große Rolle, nur ein paar Zuschauer skandieren: „Wo bleibt der Sekundentod?“ Der schnelle Knockouter muss an diesem Abend über die lange Strecke gehen.

Stark, sehr stark deckt er in den ersten Runden seinen Gegner mit Schlägen ein, doch der bleibt nicht nur einfach stehen, sondern beweist eine unglaubliche Kondition. Ford wird immer stärker, und am Schluss steht ein knapper Punktsieg – er hat sich über die Zeit gerettet und damit zugleich bewiesen, dass für eine große Karrie­re noch eine weitere Nuance hinzugekommen ist. Nun ist er ein Puncher, der auch Steherqualitäten hat.

Kampfname „The Punch“

Yusuf Kangül aus Duisburg boxt ­gegen Vartan Avetisyan aus München. Zwei Supermittelgewichtler, die mit 35 und 29 Jahren nicht mehr die Jüngsten sind, und warum es, wenn zwei Deutsche gegeneinander kämpfen, um die vakante WBC Mediterranean Cham­pionship geht, leuchtet auch nicht sofort ein.

Was Kangül und sein Gegner, Kampfname „The Punch“, da im Ring machen, ist durch die geschickteste PR nicht zu produzieren: Die kämpfen einfach, sehr hart, sehr verbissen und sehr respektvoll. „Gut geboxt“, sagt Kangül nach der dritten Runde zu seinem Gegner. Ganz knapp geht es zu: Zwei Punktrichter haben ein Unentschieden gesehen, einer hat Kangül mit einer Runde vorne. Jetzt gibt es wieder einen Mittelmeerchampion aus dem Ruhrgebiet.

Derzeit ist das deutsche Profi­boxen nicht mehr auf den großen Fernsehsendern präsent. Es sind auch vor allem kleinere Boxställe wie Petkos oder SES in Magdeburg, die talentierte Kämpfer und Kämpferinnen unter Vertrag haben. Und die Konkurrenz durch MMA und Kickboxen ist deutlich zu spüren.

Aber da ist es immer noch, das Preisboxen mit den Fäusten. Sogar einige der Alten gibt es noch: Jürgen Brähmer, 40, deutet an, er könne bald wieder einen Titelkampf haben. Arthur Abraham, 38, erzählt immer noch, dass er bereit sei für den nie zustande gekommenen Kampf gegen Felix Sturm, 40. Ganz weg war das Profiboxen hierzulande nie. Und jetzt ist es sogar in der Halle neben der großen Mercedes-Benz-Arena angekommen.

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