Ein Computerspiel und die Folgen: Platz, „Fortnite“!

Das Computerspiel „Fortnite“ ist die Freude der Kinder- und der Schrecken der Elternzimmer. Diesem Phänomen kommt man nur mit eigenen Regeln bei.

Ein Kind mit Kopfhörer vor einem Bildschirm

Mal wieder „Fortnite“-Zeit – ja, und? Foto: ap

Wenn du Zeit mit deinem Kind verbringst, ist diese Zeit besetzt. Wenn dein Kind Hausaufgaben macht, Fußball spielt, sich draußen mit Freunde trifft, zum Breakdance geht, wenn es schläft oder aus dem Fenster schaut, ist diese Zeit besetzt. Kümmere dich darum, dass möglichst viel Zeit deines Kindes mit etwas anderem als mit Fortnite besetzt ist. Nenne dieses andere zum Beispiel „das Wichtige“.

Wenn dein Kind das Wichtige getan hat, dann darf es auch „Fortnite“ spielen.

Wenn dein Kind das Wichtige mal einfach nicht tun will, dann lass es. Aber lass es dann auch nicht „Fortnite“ spielen.

Wenn du dir die Zeit und die Kraft nehmen willst, um gegen „Fortnite“ zu gewinnen, musst du sie irgendwo und vor allem irgendwem wegnehmen: Dir selbst, deinem Partner, deinen anderen Kindern, Facebook, deiner Arbeit, deinem Arbeitgeber. Das führt zu Konflikten. Ein großer Teil deiner Aggression gegen „Fortnite“ liegt darin begründet, dass du diesen Konflikten ausweichen willst. Auch dem Konflikt, den es bedeutet, deinem Kind „Fortnite“ wegzunehmen. Doch dein Kind hat ein Recht auf Konflikt. Es hat ein Recht darauf, dass du ihm „Fortnite“ wegnimmst.

Was ist Fortnite? Fortnite wurde 2018 zum populärsten Videospiel weltweit, vor allem unter Jugendlichen. Es wurde im Juli 2017 von Epic Games veröffentlicht. Der kostenlose Modus des Spiels erreichte ein Jahr später über 100 Millionen Spieler weltweit. Es geht darum, als letzter Spieler auf einer Insel zu überleben. Ein aufziehender Sturm begrenzt dabei das Spielfeld immer mehr.

Das Spiel ist inzwischen Kult. Profisportler stellen die Tänze und Siegerposen aus dem Spiel nach, wie zuletzt etwa Fußballer Antoine Griezmann beim WM-Finale. Jugendliche verbringen oft viel Zeit mit Computerspielen. In der JIM-Studie aus dem Jahr 2017 gaben 41 Prozent der Mädchen und 83 Prozent der Jungen zwischen 12 und 19 Jahren an, sich täglich oder mehrmals pro Woche damit zu beschäftigen.

Aktuelle Events im Spiel: Am 2. Februar findet um 20 Uhr deutscher Zeit das erste Ingame-Konzert von DJ Marshmello im „Pleasant Park“ statt. Zum 53. Superbowl, der am 3. Februar in Atlanta stattfindet, gibt es virtuelle Trikots der im Finale konkurrierenden Mannschaften im Onlineshop von Fortnite und es findet ein Spiel im Spiel statt. Gerüchten zufolge soll es schon am 5. Februar das nächste Event zum chinesischen Neujahr geben.

Wenn dein Kind schläft, gehe diese Liste durch: Die X-Box ist aus, so aus, dass sie dein Kind nicht anstellen kann. Check! Das Handy und das iPad deines Kindes liegen bei dir, auch das iPad des großen Geschwisters, das sich dein Kind schon mal nachts geholt hat, wenn seine Geräte bei dir waren. Check! Du weißt schon, dass du selbst gerade schon wieder auf Facebook bist? Check!

Wenn dein Kind in der Schule ist, gibt es dort viele Gespräche über Fortnite. Es gibt kein „Fortnite“-Spielen in der Schule. Darum hast du dich gekümmert.

Wenn dein Kind morgens das Haus verlässt, kommt es erst nach sieben, acht oder sogar neun Stunden zurück. Mach dir, wenn ihr euch abends wieder seht, immer klar, was dein Kind den Tag über geleistet hat. Sei fair zu deinem Kind. Wenn dein Kind „Fortnite“ spielt, wenn du nach Hause kommst, leg dich aufs Sofa, koch was oder räum auf – wonach dir gerade ist. Mach dir klar, was du den Tag über alles geleistet hat. Sei fair zu dir selbst.

Wenn du rumschreist und drohst, dein Kind auf kalten Entzug zu setzen und endgültig den Stecker zu ziehen, bedenke: Wenn die X-Box im Keller ist, ist das Kind immer noch in der Wohnung. Wenn am Freitagabend der Freund deines Kindes bei euch einzieht; wenn er einen Rollkoffer dabei hat, mit einer Zahnbürste, einem Schlafanzug und mit einem riesigen Bildschirm; wenn er den im Zimmer deines Kindes aufbaut; wenn er erst am Sonntagmittag wieder auszieht; wenn am Montag dein Kind krank ist und aber sagt, dass war ein tolles Wochenende und wenn du den Freund deines Kindes sehr nett findest: Dann schreib eine Entschuldigung und lass es gut sein.

Mittelerde an der Konsole

Wenn alle finden, dass sie ihr bestes geben und es dennoch nicht reicht, um alle immer glücklich zu machen – dann ist das so. Der Plan funktioniert, aber er ist nur ein Plan. Er funktioniert nicht immer und es ist sehr anstrengend ihn einzuhalten. Aber jeder Plan ist besser als kein Plan.

Als du 13 warst, hast du das Buch „Herr der Ringe“ entdeckt. Du bist von der Schule nach Hause gekommen, hast dir das Buch geschnappt und bist für Stunden abgetaucht. Du wolltest alles haben, was dich nach Mittelerde bringt, Bücher, Atlanten, Filme. Niemand hat dich dabei gestört, niemand dir Vorwürfe gemacht. Wenn du dir vorstellst, du sähest dich als dein Kind, wie es stundenlang, jeden Tag in Mittelerde verschwindet – gefällt dir diese Vorstellung?

Du hast als Kind ganz selbstverständlich mit Spielzeugwaffen gespielt, du warst sehr stolz auf dein funkensprühendes, knatterndes blaues Maschinengewehr. Wenn du deinem Kind heute davon erzählst – schaut es dich da nicht genauso an, wie du es anschaust, wenn es dich für „Fortnite“ begeistern will? Du erinnerst dich an ein Buch aus Amerika, wo 13-Jährige nach der Schule in den Wald gehen und Eichhörnchen schießen, weil es damals in Amerika eben das war, was 13-Jährige machen. Du sagst, bis ich 12 war, war ich glücklich, und dann wieder ab 17. Dein Kind ist 13. Die Zeit ist auf eurer Seite.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.