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Menschen
gemacht

Der kanadische Künstler Edward Burtynsky widmet sich in seinen Fotografien den unnatürlichen Wundern des Anthropozäns

Gewächshäuser #2, El Ejido, Südspanien, 2010 Fotos: Edward Burtynsky/Galerie Springer, Berlin/Metivie

Von Brigitte Werneburg
(Text) und Edward Burtynsky (Fotos)

Was auf diesen beiden Seiten zu sehen ist, sind vielfach die Folgen dessen, was der Mensch in seinem furchterregenden Arbeitseifer auf unserer Welt angerichtet hat: die unnatürlichen Wunder des Anthropozäns, wie die Kunsthistorikerin Suzaan Boettger in ihrem Essay zum Werk von Edward Burtynsky schreibt. Allerdings: Wäre der kanadische Fotograf und Filmemacher (im Team mit Jennifer Baichwal und Nicholas de Pencier) nicht selbst mit diesem schrecklichen Arbeitseifer geschlagen, es gäbe diese Bilder nicht.

Tunnel in der Kaliummine #4, Berezniki, Russland, 2017

Edward Burtynsky ist sich dieses Umstands bewusst und sagt denn auch ganz deutlich, dass er mit seinen Fotografien nicht moralisieren oder anklagen will, das stehe ihm nicht zu, schließlich sei er Teil des Bildes. So wie auch sein Vater: Der hatte die kindlichen Fotoexperimente seines Sohnes unterstützt, indem er für ihn das Dunkelkammerinventar eines verstorbenen Amateurfotografen erwarb. Die Kosten trug der Vater allerdings auch in anderer Hinsicht: Als Maschinist bei General Motors in der Industrie- und Hafenstadt St. Catharines am Lake Ontario starb er mit 45 Jahren an Krebs.

Die internationale Umwelt- und Klimadebatte will Burtynsky mit seinen Bildern also unbedingt befördern. Sie kommt im Begriff des Anthropozäns zu sich, als dem Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Um diese Tatsache angemessen darzustellen, sagt Edward ­Burtynsky, fotografiere er vornehmlich Großsysteme, die langwährende und damit schließlich deutlich sichtbare Folgen nach sich ziehen.

Phosphatmine #5, bei Lakeland, Florida, USA, 2012

Um das große Ganze ins Bild zu bekommen, fotografiert er notwendigerweise von einem erhöhten Kamerastandort aus. Stellte er das Kamerastativ zu Beginn seiner Laufbahn noch auf Brücken und Dächer und später auf mobile Liftkonstruk­tionen, nutzt er heute Drohnen, Flugzeuge, Helikopter und auch Satelliten. Und um das große Ganze auch für den Betrachter ins Bild zu bekommen, stellt er inzwischen Abzüge im Riesenformat von 3,5 mal 7,3 Metern her. Die Digitalisierung der Fotografie macht es möglich. Sie macht es auch möglich, eine Vielzahl einzelner Aufnahmen zu einem Fotogroßformat zusammenzufügen, das verlangt, wie ein Gemälde gehängt zu werden.

Poller #1, Dongying, China, 2016

Zur Erfahrung von Edward Burtynskys Fotografien gehört es, ihnen gegenüberzustehen; die eigene Größe vis à vis der Fotografie zu erleben: was paradoxerweise oft als Gefühl von Intimität mit dem Bild erfahren wird. Und dann ist das Schwingen der Wahrnehmung zwischen dem Anblick vollkommen verarmter Umwelten – aber auch des Reichtums der noch nicht zerstörten Redwoodwälder in British Columbia – und der Pracht des perfekten, detaillierten Großformats ein Erlebnis ganz eigener, nachhaltiger Art.

Edward Burtynsky, Jennifer Baichwal, Nicholas de Pencier: „Anthropocene“. Steidl Verlag Göttingen 2018, 236 Seiten, 95 Euro

Anthropocene – New Photographs, 9. Februar bis 18. April, Galerie Springer, Berlin

Anthropocene: The Human Epoch, Internationale Filmfestspiele Berlin