Elf Jahre Unabhängigkeit des Kosovo: Balkan-Stabilität wird brüchig

Die Grenzen des von Serbien abgespaltenen Landes werden auch nach elf Jahren Unabhängigkeit von außen her infrage gestellt. Das ist hochriskant.

Menschen wehen rote und blaue Fahnen

Kosovaren am Unabhängigkeitstag in Pristina Foto: ap

SARAJEVO taz | Etwas enttäuscht klingt die Stimme von Evliana Berani am Telefon. Auch die Glückwünsche zum 11. Jahrestag der Unabhängigkeit des Kosovo am Sonntag muntern die aus einer serbisch-albanisch gemischten Familie stammende Professorin nicht auf. Dabei gehört sie zu den wichtigsten politischen Autoren ihres Landes. Ihre Veröffentlichungen lösen bei den herrschenden Personen aller Seiten, auch den internationalen Institutionen, Unbehagen aus.

Für Evliana Berani befindet sich Kosovo heute wieder einmal in einer unsicheren Position. 20 Jahre nach dem Krieg hätten eigentlich schon lange politische Lösungen zwischen Kosovo und Serbien gefunden werden müssen. Die einseitige Unabhängigkeitserklärung vor elf Jahren wurde zwar von 111 UN-Mitgliedern anerkannt, doch nach wie vor stemmen sich Serbien, Russland und auch China gegen die Anerkennung, und selbst die EU ist gespalten: Spanien, die Slowakei, Rumänien, Zypern und Griechenland haben die Anerkennung verweigert.

Obwohl Serbien Kosovo immer noch als Teil Serbiens ansehe und den Verlust nicht verkraften will, gab es für Evliana Berani seit Kriegsende so etwas wie eine Architektur der Stabilität. Die Nato und vor allem die USA garantieren die Unverletzlichkeit der Grenzen. Unter diesem Schutzschild wurde eine mit europäischem Recht durchaus vergleichbare Verfassung und ein funktionierendes parlamentarisches System geschaffen.

Kosovo definiere sich trotz der 90-prozentigen albanischen Bevölkerungsmehrheit als multiethnischer Staat, die Minderheiten seien in dem 120-köpfigen Parlament überproportional vertreten. Doch jetzt sei eine der Säulen dieser Stabilität infrage gestellt.

Das könnte zu unabsehbaren Konsequenzen in Bezug auf Bosnien, aber auch auf die Ukraine führen

Unter Präsident Trump versuchen die USA sich weltweit aus den Krisenregionen zurückzuziehen. „Auch zu Kosovo versucht man einen Deal.“ Die Amerikaner unterstützten jetzt die auch in Europa verbreitete Position, zwischen Kosovo und Serbien solle es zu einem Ausgleich kommen, auch wenn man damit eigene Prinzipien aufgeben sollte. Vor allem der österreichische Diplomat und Balkanexperte Wolfgang Petritsch versucht seit Jahren von Österreich aus die Idee zu verbreiten, Kosovo und Serbien sollten einem ethnisch definierten Gebietsaustausch zustimmen.

Druck von USA und EU nimmt zu

Nach Petritsch und seinen Unterstützern in der EU – so auch die Außenbeauftragte der EU, Federica Mogherini oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron – sollte der vor allem von Serben bewohnte Nordteil des Kosovo nördlich der Stadt Mitrovica Serbien zugeschlagen werden und Kosovo dafür das südserbische Gebiet Presevo bekommen, das vor allem von Albanern bewohnt wird.

Damit würde die bisherige Position der EU und der USA, auf dem Balkan keine Grenzänderungen auf ethnischer Grundlage zuzulassen, unterhöhlt. Das könnte zu unabsehbaren Konsequenzen in Bezug auf Bosnien, aber auch in Bezug auf die Ukraine führen, warnen Kritiker, so drei ehemalige Hohe Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina, unter ihnen der deutsche Politiker Christian Schwarz-Schilling, der zudem davor warnt, dass damit den nationalistischen Strömungen in Europa entgegengekommen würde.

Hinter die Idee stellten sich aber inzwischen auch Kosovos Präsident Hashim Thaçi und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić. Die Verlockung, einen „ewigen“ Friedensvertrag zustande zubringen, beflügelt alle Akteure. Doch in beiden Staaten gibt es eine starke Opposition. In Kosovo sind es Premierminister Ramush Haradinaj und alle Oppositionsparteien sowie die Mehrheit der Bevölkerung; in Serbien die orthodoxe Kirche, die Kosovo nach wie vor als Teil Serbiens ansieht, und die nationalistische Rechte.

Für Evliana Berani liegt der ethnisch definierte Gebietsaustausch noch in weiter Ferne. Zwar habe sich als einzige größere Nation Deutschland gegen diesen Deal ausgesprochen, lobt sie, doch auch in der Bevölkerung sei Widerstand spürbar, sogar in den betroffenen Gebieten. Der Druck aus den USA und Europa werde aber zunehmen, ist ihre Prognose. Allerdings, sagt Evliana Berani: Der Gebietsaustausch könne nach der Verfassung nur im Parlament entschieden werden. „Und da ist die Mehrheit eindeutig dagegen.“

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