Kommentar Gipfel in Scharm El-Scheich: Walk of Shame in Ägypten

Der erste Gipfel mit der Arabischen Liga war ein Eingeständnis der EU. Die von Aufbruch bestimmte Zeit des Arabischen Frühlings ist vorbei.

Angela Merkel begrüßt einen Prinz aus Kuwait und EU-Politiker Tusk sowie der ägyptische Präsident al-Sisi sehen zu

Merkel und EU-Ratspräsident Tusk (2. v. r.) machen in Ägypten jetzt wieder Realpolitik Foto: reuters

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die EU-Granden zum Gipfel mit der Arabischen Liga am Sonntag und Montag ausgerechnet nach Scharm al-Scheich reisten. In den ägyptischen Badeort floh im Februar 2011 auch Husni Mubarak, als die ÄgypterInnen gegen den Langzeitherrscher aufbegehrten und das Militär ihn schließlich fallen ließ.

Acht Jahre später trafen Tusk, Juncker und Merkel in Scharm al-Scheich nicht etwa auf einen Nachfolger, der nach der Revolution durch demokratische Wahlen legitimiert worden wäre. Stattdessen durfte als Gastgeber Präsident Abdel Fattah al-Sisi auftreten – ein Militärherrscher, der sich von Mubarak kaum unterscheidet. Gerade erst hat das Parlament in Kairo eine Verfassungsänderung durchgewunken, sodass Sisi nun – anders als ursprünglich vorgesehen – bis 2034 durchregieren kann.

Der erste gemeinsame Gipfel mit der Arabischen Liga war ein Eingeständnis der EU: Die von Aufbruch bestimmte Zeit des Arabischen Frühlings ist endgültig vorbei. Man macht jetzt wieder Realpolitik. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Ghait, stellte am Montagnachmittag fest, „nicht einer der Anwesenden“ habe Unzufriedenheit mit der Menschenrechtslage in den arabischen Ländern ausgedrückt. Dem widersprach zwar umgehend Juncker, der das Thema in seinem Abschlussstatement halbherzig angeschnitten hatte. Und doch: Nicht Reformen oder Demokratisierung bestimmten die Tagesordnung, sondern Migration und Terrorbekämpfung.

Geht es um diese Themen, ist Ägypten als Gastgeber eines gemeinsamen Gipfels eine naheliegende Wahl. Das Land zwischen dem Chaos-Staat Libyen und den von Kriegen und Krisen geplagten Levante-Staaten ist unter der neuen Militärdiktatur wieder so stabil wie in den Jahrzehnten vor der ägyptischen Revolution. Die Lebensbedingungen der ÄgypterInnen haben sich zwar keinen Deut verbessert, doch die Institutionen funktionieren. Eine stabile Diktatur, so das Signal, das von Scharm al-Scheich ausgeht, ist für die EU das kleinere Übel und ein möglicher Partner in einer immer ungemütlicher werdenden Weltordnung.

Ein kleines Trostpflaster aber gab es für die Europäer bei ihrem Walk of Shame in Ägypten: Weder Sudans Präsident, gegen den ein internationaler Haftbefehl wegen Völkermords vorliegt, noch der nach dem Mord an Jamal Khashoggi diskreditierte saudische Kronprinz erschienen zum Gipfel. Und auch Baschar al-Assad blieb fern, Syrien ist momentan aus der Arabischen Liga ausgeschlossen. Doch auch das könnte sich bald schon ändern. Spätestens dann stellt sich die Frage nach den Grenzen der europäischen Realpolitik.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.