Oscar-Verleihung in Los Angeles: Kaum Kampf gegen den weißen Mann

Bei der 91. Verleihung der Academy Awards wurde versucht, den Zeitgeist zu umarmen. Die Vorzeichen sahen gut aus – doch geklappt hat es nicht.

Zwei Personen halten Oscars in den Händen und freuen sich

Seine politische Rede war eine wohltuende Ausnahme: Regisseur Spike Lee (rechts) Foto: reuters

Wenn die Oscars ein Fahrzeug wären – sie wären ein großes, schwergängiges Luxusauto. Ein konservatives Vehikel, vielleicht ein 1962er Cadillac, wie der, in dem Viggo Mortensen als Chauffeur Tony in dem mit dem Oscar für den „Besten Film“ und das „Beste Drehbuch“ ausgezeichneten Werk „Green Book“ seinen Chef Mahershala Ali kutschiert. Doch so ein altmodischer Wagen lässt sich kaum modernisieren. Auch wenn das schon lange versucht wird.

Die 91. Oscar-Verleihung bot diesbezüglich eigentlich gute Vorzeichen: So viele „people of colour“ und verschiedene Gender in der knapp 6.500 Mitglieder starken Akademie, bei den Nominierten und LaudatorInnen wie nie zuvor; die Idee, die durch Unmengen Werbepausen und zu viele Musik­acts aufgeblasene Zeremonie zu verkürzen; eine Skandalgeschichte um homophobe Tweets, die den angedachten Moderator Kevin Hart seinen Job kostete; und die gewachsene #MeToo-Sensibilität der letzten beiden Jahre.

Aber irgendwie blieb der Cadillac in der eingefahrenen Spur, auch wenn er – wegen der fehlenden Moderation – zügiger fuhr. Kaum ein*e Preisträger*in wollte, kein*e Presenter*in durfte wirklich politisch werden. Und mit „Green Book“ hat zudem vor allem ein versöhnlicher, konventioneller Film gewonnen, der den gesellschaftlich verankerten Rassismus vordergründig kritisiert – um den weißen Protagonisten hintenrum doch als Retter zu präsentieren, ganz so, wie es die immer noch größte Gruppe der weißen männlichen Academy-Mitglieder vielleicht gern hätte.

Ansonsten wurde die Award Ceremony am Sonntag kaum sarkastischer, als es die Eingangs-Comedy-Routine der Schauspielerin Maya Rudolph, die gemeinsam mit Amy Pohler und Tina Fey den ersten Preis präsentierte, im klassischen Saturday-Night-Live-Niveau vormachte: „Keine Angst, Bradley Cooper“, rief Rudolph dem „Best Actor“-Nominierten zu, der in seiner Rolle als alkoholkranker Musiker in „A star is born“ einen Bühnen-Fauxpas erlebt, „nach vier Kindern hab ich mir bei den Golden Globes auch schon eingepinkelt.“

Mahershala Ali hält einen Oscar in der Hand

Gewann einen Oscar für seine Performance in „Green Book“: Mahershala Ali Foto: ap

„BlacKkKlansman“-Regisseur Spike Lees leidenschaftliche „Bestes adaptiertes Drehbuch“-Dankesrede, die bei den SklavInnen vor 400 Jahren begann, war eine wohltuende Ausnahme. Und dass Javier Bardem, der den Oscar für den „Besten fremdsprachigen Film“ an Alfonso Cuarons beispielloses Meisterwerk „Roma“ vergab und Florian Henckel von Donnersmarcks Kunsttrivia „Werk ohne Autor“ damit genauso leer ausgehen ließ wie Pawel Pawlikowskis großartige Liebesgeschichte „Cold War“, auf Spanisch von „unnötigen Grenzen und Mauern“ sprach, durfte man ebenfalls zart politisch interpretieren.

Allein, deutlicher wurde kaum jemand. Als ob die Filmwelt ein wenig müde ist, gegen die Ideen des Mannes im Weißen Haus anzukämpfen – und als Reaktion das Kino eher als Eskapismus denn als politisches Werkzeug nutzt.

Billy Porter trägt ein schwarzes Kleid

Schauspieler Billy Porter trägt ein schwarzes Kleid – wegen #MeToo? Foto: ap

Dabei hätten es viele Nominierte hergegeben. Roma, der am Ende drei Oscars einpackte, ist (trotz Kritik der lateinamerikanischen Community) ein so persönliches wie politisches Werk: Man kann Cuaron nicht vorwerfen, die Geschichte einer mexikanischen Ureinwohnerin zu erzählen, auch wenn er selbst zu der privilegierteren Klasse seines Landes gehört. „Black Panther“, ausgezeichnet mit drei Oscars, hätte einen spannungsreicheren Helden vertragen, aber lässt sich genau wie Spike Lees einmal ausgezeichnetes Biopic „BlacKkKlansman“ als Signal lesen, „Vice“ ist eine scharfe Parodie.

Der mit vier Oscars, unter anderem für „Bester Hauptdarsteller“ ausgezeichnete „Bohemian Rhapsody“ allerdings, der trotz seiner musikalischen und darstellerischen Qualität viel Mut-Potential zugunsten eines Fanstücks vergibt, warf genau wie das seltsam-konservative Co-Abhängigkeitsdrama „A star is born“ einen Kitschschleier ins Dolby Theatre. Der sich am Ende mit Alfonso Cuarons couragierter Dankesrede für den „Beste Regie“-Preis und Olivia Colemans authentischer Freude über ihren Darstellerinnen-Preis für „The Favourite“ nur kurz hob: Colemans unbändiger Humor stutzte die opulente US-Branchenveranstaltung immerhin leicht zurecht.

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